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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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die üblichen Höflichkeiten ausgetauscht hatten, zog Kanda mich in eine Ecke, gratulierte mir zu meiner Arbeit, verbot mir aber, auf der Pressekonferenz etwas zu sagen.
    »Wenn du auf einer Pressekonferenz eine wichtige Frage stellst, machst du deinen Knüller kaputt. Man fragt nur nach Einzelheiten zu Fakten, die ohnehin jeder kennt, nicht nach Details, die noch im Dunkeln liegen. Also schau zu und hör zu.«
    Die Pressekonferenz fand in einem Konferenzraum im ersten Stock statt. Fernsehleute bahnten sich einen Weg durch die Menge, und Journalisten stellten ihre Kassettenrekorder auf das Podium, wo der Leiter der Mordkommission sprechen würde.
    Er las alles vom Blatt ab: »Das Opfer, Machida, wurde anscheinend vor einigen Tagen getötet, wahrscheinlich an dem Abend, als er verschwand. Die lange Messerklinge durchdrang offenbar das Herz und tötete ihn sofort. Die offizielle Todesursache ist Blutverlust. Das Opfer wurde wohl im Auto getötet, da sich dort Blutspritzer befinden. Wir sprechen mit seinen Freunden und seinem Arbeitgeber, um Hinweise zu finden. Es wurde auch eine offizielle Ermittlungsgruppe gebildet, deren Namen wir heute Abend noch bekannt geben werden. Das ist vorläufig alles. Fragen?«
    Zunächst hob niemand die Hand. Offenbar wollten die Journalisten bei der offiziellen Pressekonferenz keine wichtigen Fragen stellen, sondern die Polizisten lieber nach der Konferenz löchern. Trotzdem fühlte sich jemand dann doch verpflichtet, irgendetwas zu fragen.
    »Ihren Berichten zufolge hat die Ehefrau die Leiche gefunden. Wie kam das?«
    »Sie hat die Gegend mit einer Freundin abgesucht und das Auto
stehen sehen. Der Tote befand sich darin.« Für mich war das ein wichtiger Hinweis.
    »Wann wurde die Polizei darüber informiert, dass Machida vermisst wurde?«
    »Zwei Tage nach seinem Verschwinden.«
    »Warum hat die Familie so lange gewartet?« Diese Frage stellte ein Asahi -Reporter mit gerunzelter Stirn.
    Doch der Polizist biss nicht an. »Tja, wie lange darf man denn warten? Würde Ihre Frau eine Vermisstenanzeige aufgeben, wenn Sie heute Nacht um zwei Uhr noch nicht zu Hause wären?«
    »Meine Frau? Ganz bestimmt.«
    Einige lachten. Der Rest der Pressekonferenz war unergiebig, und die Gruppe zerstreute sich dann auch schnell.
    Wir fuhren zurück nach Urawa und verglichen unsere Notizen. Als Yamamoto gegen drei Uhr morgens vom Haus des Polizeichefs zurückkehrte, den er um weitere Informationen gebeten hatte, ergänzte er unsere Erkenntnisse. Die Frau, die Frau Machida bei der Suche geholfen hatte, war jene Yoshiyama, die angeblich eine Affäre mit ihm gehabt hatte. Für die Polizei war sie natürlich die Hauptverdächtige.
    Der nächste Tag brachte nichts Neues. Wir befragten Nachbarn und konnten nachweisen, dass die Polizei Yoshiyama verhörte. Doch sie verweigerte die Aussage. Am Morgen des nächsten Tages gab sie
jedoch ihrem Mann gegenüber alles zu. Nachdem er die Polizei
gerufen hatte, wurde die Täterin festgenommen, und wir konnten
die Nachricht gerade noch in der Abendausgabe unterbringen:
    »Yoshiyama war Teilzeitbeschäftigte in der Firma, in der Machida arbeitete. Die beiden hatten seit Frühjahr des vergangenen Jahres eine Affäre, die Machida beenden wollte.
    Am Zwölften trafen sie sich nach der Arbeit auf einem Parkplatz in der Nähe und unternahmen dann eine dreistündige Fahrt. Gegen 21 Uhr parkte Machida das Auto in der Nähe der Fabrik, und es kam zu einem Streit. Yoshiyama stach ihn mit einem langen Messer in die Brust und tötete ihn. Sie behauptete, Machida habe die Beziehung und sein Leben beenden wollen und sie habe ihm lediglich diesen Wunsch erfüllt.
    Yoshiyama war eine Bekannte von Frau Machida. Deshalb bot sie Frau Machida an, ihr bei der Suche nach ihrem Mann zu helfen. Die Polizei hat die Waffe noch nicht gefunden, wohl aber eine Saftdose mit Yoshiyamas Fingerabdrücken.«
    Im September 1994 wurde Yoshiyama zu acht Jahren Zwangsarbeit verurteilt.
    Das Ganze war kein besonders aufregender Fall, doch ich konnte ein paar Pluspunkte sammeln, weil ich so früh Hinweise auf die Täterin gefunden hatte. Natürlich war das mehr dem Glück als meinem Geschick zu verdanken, aber: Im Journalismus zählt immer das Ergebnis, nicht der benötigte Aufwand.

Erpressung, die beste Freundin
des Jungreporters
    Nach einigen Monaten als Polizeireporter hatte ich mich mit mehreren Polizisten angefreundet, aber noch keinen einzigen Knüller gelandet. Was auch schwierig war, denn dazu musste

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