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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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sicher nicht leicht, diesen Kerl umzubringen.
    Als Nächstes fuhr ich mit dem Taxi zu Endos Haus, das in einer ruhigen Umgebung lag. Es war ein schönes, großes Gebäude. Da das Tor offenstand, ging ich hinein und warf einen Blick auf den überquellenden Briefkasten. Plötzlich stand jemand hinter mir.
    Es war ein kleiner, alter Mann, völlig kahl und so dünn, dass seine Haut durchsichtig zu sein schien. Er trug Jeans und ein T-Shirt, obwohl es noch ziemlich kalt war. Auf dem Hemd standen in grellem Grün obszöne englische Wörter.
    »Was tun Sie hier?«, fragte er ruhig.
    »Ich suche Yasunobu Endo. Das ist doch sein Haus, oder?«
    »Ja, das ist sein Haus, aber er kommt nicht mehr nach Hause.«
    »Warum nicht?«
    »Weil er tot ist, ein Gangster hat ihn umgelegt, zu Hackfleisch verarbeitet und an Hunde verfüttert. Alle hier wissen das.«
    »Wirklich? Sie haben das nicht zufällig alles beobachtet?«
    »Nee. Ich hab nichts gesehen, aber ich weiß einiges. Ich kenne diese Stadt, ich kenne Endo, und ich kenne den Ganoven.«
    »Meinen Sie Gen Sekine?«
    »Ich hab den Namen des Kerls vergessen. Aber darf ich Sie etwas fragen?«
    »Klar, schießen Sie los.«
    »Warum suchen Sie Endo?«
    »Ich bin Zeitungsreporter. Wenn Leute verschwinden, selbst Yakuza, ist das eine Nachricht wert. Ich will herausfinden, warum er verschwunden ist.«
    »Er ist nicht verschwunden, er ist jetzt Hackfleisch, Hundekot.«
    »Das haben Sie schon gesagt. Aber wenn jeder hier weiß, wer ihn umgebracht hat, warum hat die Polizei dann den Mörder noch nicht verhaftet?«
    »Na, weil sie Beweise brauchen, Dummkopf. Wissen und beweisen sind zwei Paar Stiefel. Wenn Sie Reporter sind, wie Sie behaupten, sollten Sie das eigentlich wissen.«
    »Ich bin noch nicht lange dabei«, sagte ich, »ich lerne noch.« Dabei reichte ich ihm meine Visitenkarte. Er warf einen Blick darauf und steckte sie in seine Hosentasche.
    »Warum hat Sekine ihn getötet? Welchen Grund könnte er gehabt haben?«
    »Ach, das«, seufzte der Mann, dann zog er eine Packung Zigaretten heraus, zündete sich eine an und nahm einen so tiefen Zug, dass die halbe Zigarette innerhalb von Sekunden zu Asche verbrannte. Nach einer Weile atmete er aus.
    »Endo ist ein Yakuza. Und Yakuza jagen den Leuten gerne Angst ein. Sekine hat den Yakuza gefährliche Tiere verkauft – Tiger, Löwen und andere Tiere, mit denen sie normalen Leuten Angst machen konnten.«
    »Aber warum sollte er Endo umbringen?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht ist er einfach nur böse. Auf jeden Fall ermordet er Menschen. Und Endo muss ihm irgendwie in die Quere gekommen sein.«
    »Wie konnte er einen so großen Mann wie Endo umbringen?«
    »Vielleicht hat er ihm eine Giftspritze in den Hals verpasst. Wumm! Ich habe einmal gesehen, wie er so einen Hund getötet hat, einen großen Hund. Vor langer Zeit habe ich mal für Sekine gearbeitet, aber jetzt nicht mehr. Er ist ein schlechter Mensch und tut böse Dinge. Endo war zwar ein Yakuza, aber für einen Yakuza war er gar nicht so schlimm.«
    »Können Sie sich daran erinnern, wann Sie Endo zum letzten Mal lebend gesehen haben?«
    »Nein, das weiß ich nicht mehr.«
    »Wissen Sie, wann er verschwand?«
    »Ja, das weiß ich. Denn ich weiß, wann ich ihn zum letzten Mal nicht gesehen habe.«
    »Wann war das?«
    »Das war letztes Jahr am 22. Juli, in der Früh.«
    »Sie erinnern sich noch genau an diesen Tag? Warum?«
    »Weil Endo versprochen hatte, mich an diesem Tag ins Krankenhaus zu fahren, damit ich meine Herztabletten holen konnte. Aber der Bursche ist nicht gekommen. Endo oder sein Fahrer – Wakui, ein netter Kerl – fuhren mich manchmal ins Krankenhaus. Das habe ich immer im Kalender aufgeschrieben. Als er an dem Tag nicht kam, war ich sauer, weil ich meine Medizin wirklich brauchte.«
    »Danach haben Sie ihn also nicht mehr gesehen?«
    »Genau, aber jemand hat mir erzählt, dass Endo und Sekine Streit hatten. Da wusste ich, dass Endo tot war und der Junge wahrscheinlich auch. Es ist eine Schweinerei. Ich hab der Polizei gesagt, dass Sekine sie umgebracht haben muss.«
    Ich war zufrieden, mit diesen Angaben konnten wir ziemlich genau bestimmen, wann Endo verschwunden war. Während ich mir noch Notizen machte, ging der Alte plötzlich zum vollen Briefkasten, zog den kompletten Inhalt heraus und reichte ihn mir.
    »Hier, das interessiert Sie doch, oder?«
    Natürlich interessierte mich das, dennoch meinte ich: »Das geht nicht, das wäre Diebstahl.«
    »Aber Sie haben es doch

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