Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
Vom Netzwerk:
und er war in Fernsehshows aufgetreten. Er hatte den Alaska-Malamut zu einem der edelsten Showhunde in Japan gemacht. In Interviews behauptete Sekine, er habe in Afrika gelebt, im Busch Tiere gejagt und wilde Tiger nur mit seinem Blick vertrieben. Er wurde allmählich kahl, und sein Resthaar war grau gesprenkelt. Seine kleinen Perlenaugen schielten ständig, und die Furchen in seiner Stirn verliehen ihm einen nachdenklichen Gesichtsausdruck. Seine raue Stimme klang, als habe er von Geburt an starke Zigaretten geraucht. Er besaß drei Läden und plante, einen kleinen Safaripark anzulegen. Vor Kurzem hatte er im Fernsehen einem vor Ehrfurcht starren Journalisten erzählt, dass er aus Hubschraubern gesprungen und Löwen niedergerungen habe. Das ist ein Kerl, schoss mir durch den Kopf, der sicher töten kann, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Ende Januar hatten wir – vor allem dank Nakajimas Arbeit und Anleitung – vier Personen ermittelt, die vermisst wurden und von denen man annahm, dass Gen Sekine sie ermordet hatte: Kawasaki, eine Hausfrau, einen Yakuza-Chef und dessen Fahrer. Das Tatmotiv war allerdings noch unklar.
    Unser Yomiuri -Team ermittelte im Geheimen, denn wir wollten die Öffentlichkeit erst kurz vor der Verhaftung des Hundezüchters informieren. Dieser Plan scheiterte allerdings am 17. Februar.
    Ich war gerade im Presseclub, als Yamamoto mir ein Exemplar der Sportzeitung Asuka vor das Gesicht hielt.9
    »Schau dir das an«, knurrte er grimmig, »jetzt ist die Katze aus dem Sack.«
    Er hatte recht. Eine riesige Schlagzeile lautete: »Vier Personen in Saitama vermisst. Rätselhafter Hundezüchter unter Verdacht.« Es wurden sogar Angaben über die Opfer gemacht – schrecklich unkorrekt, aber immerhin. Eine Sportzeitung hatte uns also übertrumpft.
    »Ruf alle an, sie sollen sofort ins Urawa-Büro kommen. In 30 Minuten ist dort Krisensitzung.«
    Als wir im Büro eintrafen, steckten Hara, der Büroleiter, und der Chefredakteur die Köpfe zusammen und studierten die Abendausgabe der Asuka . Dann wandte sich Hara an Yamamoto und rief: »Ich dachte, dieser Knüller sei uns sicher!«
    Yamamoto schluckte und antwortete: »Na ja, der Artikel ist nicht gut recherchiert. Und die Asuka ist neu in diesem Spiel ... Außerdem liest die keiner. Wir sollten das Ganze ignorieren und weiter an unserer Story arbeiten.«
    »Was meinen Sie?«, fragte der Chefredakteur Kobra.
    Nakajima stimmte Yamamoto zu.
    Aber der Chefredakteur war anderer Meinung. »Was ist, wenn morgen jede andere Zeitung im Land außer uns diese Story nachdruckt? Dann sehen wir alt aus. Woher sollen wir wissen, dass unsere Konkurrenten nicht weiter sind als wir?«
    »Das glaube ich nicht«, wandte Nakajima zögerlich ein.
    »Sie glauben es nicht? Oder wissen Sie, dass die uns nicht voraus sind? Würden Sie die Verantwortung übernehmen für eine verpasste Story?«
    Nakajima schwieg eine Weile, dann meinte er bestimmt: »Ich finde es zu früh, jetzt einen Artikel zu bringen.«
    »Nun, die Öffentlichkeit weiß schon Bescheid. Wir müssen wohl auf den fahrenden Zug aufspringen, auch wenn das früher kommt, als uns lieb ist. Aber wir haben keine Wahl. Wir sollten aufhören zu diskutieren und anfangen zu schreiben. Der Büroleiter für diese Region wird mir jeden Moment aufs Dach steigen.«
    Nachdem ich mir das alles angehört hatte, hob ich in einem seltenen Anflug von Tapferkeit die Hand, obwohl ich noch ein Jungreporter war. Yamamoto wollte mich mit hektischen Gesten zum Schweigen auffordern, aber ich ignorierte ihn einfach. »Darf ich etwas sagen?«, begann ich.
    »Wer hat Sie etwas gefragt?«, schnauzte der Chefredakteur mich an und machte eine typisch japanische Geste, die »Halts Maul« bedeutet.
    Doch jetzt mischte sich Hara ein. »Hast du eine Idee, Jake?«
    »Na ja«, krächzte ich mit belegter Stimme. »Wir haben so eine Art Deal mit der Polizei von Saitama. Sie geben uns alle Informationen, wenn wir mit der Story warten. Wenn eine Festnahme ansteht, sagen Sie uns Bescheid. So war die Abmachung, aber wenn wir uns nicht daran halten, verlieren wir ihr Vertrauen und brechen unser Versprechen.«
    »Gutes Argument, Jake«, meinte Hara und nickte. »Aber die Voraussetzungen haben sich verändert, denn jetzt gibt es bereits einen Artikel.«
    »Aber in einer Zeitung, die niemand liest und die unglaubwürdig ist. Es machte einen großen Unterschied, ob sie darüber schreiben oder wir. Wenn wir diese Story jetzt schreiben, gewinnen wir vielleicht eine

Weitere Kostenlose Bücher