Tokio Vice
Angebot, aber ich habe natürlich abgelehnt. Ich bat ihn, den Mann nicht umzubringen und mir zu sagen, was er von ihm erfahren würde.«
»Sie sind nicht gleich losgerannt, um Sekine zu retten?«
»Nein. Takada hat mir sein Wort gegeben.«
»Und Sie haben ihm geglaubt?«
»Manchmal muss man den Leuten vertrauen, Jake. Sogar Leuten, die nicht vertrauenswürdig sind. Aber dadurch, dass man ihnen vertraut, werden sie vertrauenswürdig. Ich habe Takada vertraut, weil er mir sein Wort gegeben hat. Hätte er mir nicht sein Wort gegeben, dann hätte ich meine Kollegen in Gyoda gerufen, um Sekine zu befreien.«
»Und was haben Sie erfahren?«
»Takada hat erzählt, dass der arme Bastard geheult hat wie ein Baby, aber geschworen hat, dass er Endo nicht angerührt hat. Sie haben ihn drei Stunden lang in die Mangel genommen, und er hat nichts zugegeben. Dann hat Takada ihn am Kragen gepackt und gesagt: ›Vielleicht hast du Endo umgelegt, vielleicht auch nicht. Jedenfalls ist er nicht mehr auf dieser Welt, das spüre ich. Und das Mindeste, was du ihm schuldest, ist ein Gebet für seine Seele.‹ Takada zerrte Sekine dann vor den kleinen Buddhaschrein in seinem Büro. Sekines Hände zitterten so sehr, dass er drei Weihrauchstäbchen zerbrach, ehe es ihm gelang, eines anzuzünden und in die Asche zu stecken. Takada lachte, als er es mir erzählte, und meinte, es sei eine tolle Show gewesen.«
»Wenn Sekine Takada gegenüber nicht plaudert, wird er auch bei der Polizei kein Geständnis ablegen«, gab ich zu bedenken.
»Da irren Sie sich«, sagte Sekiguchi. »Aber verraten Sie mir zuerst, wie in aller Welt Sie erfahren haben, dass Takada ihn geschnappt hat.«
»Ein Vögelchen hat es mir erzählt.«
»Ein Vögelchen?« Sekiguchi sah mich einen Moment sehr ernst an, dann räusperte er sich. »Hören Sie, Jake, wir kennen einander noch nicht sehr lange. Und ich weiß, dass ein Reporter seine Quellen nicht preisgibt, das respektiere ich. Aber ich muss erfahren, woher Sie das wussten. Das ist keine Sache zwischen Reporter und Polizist. Wir reden hier von Mann zu Mann. Es ist wichtig, und ich werde es niemandem sagen. Sie müssen mir vertrauen.«
Ich zögerte, wollte er nur prüfen, ob ich meine Informanten unter allen Umständen schützte, oder meinte er ernst, was er sagte?
»Warum müssen Sie es wissen?«
»Ich muss sicher sein, dass Takada nicht erfährt, was ich Ihnen erzähle. Ich glaube zwar nicht, dass das passiert, aber vielleicht wissen Sie nicht, wer mit wem redet. Also ...?«
»Na schön. Ich habe es von Kimiko erfahren.«
»Kimiko? In der Bar, in der Yumi arbeitet?«
»Genau.«
»Und was zum Teufel haben Sie an einem Freitagabend bei Kimiko gemacht?«
»Ich hatte so eine Art Verabredung.«
Sekiguchi war verblüfft. »Sie treiben es mit Kimiko? Jake, Sie sind wirklich eine Informationshure.«
»Ist das schlimm?«
»Nein, nein, Sie sind ledig, das ist okay. Aber vergessen Sie nicht, dass sie eine Yakuzabraut ist. Und sie nimmt Shabu.«
»Shabu?«
»Speed. Methamphetamin. Sie ist drogensüchtig. Also passen Sie auf, dass Sie sich keine Hepatitis C oder Schlimmeres holen.«
»Das wusste ich gar nicht.«
»Na ja, seien Sie vorsichtig.«
»Soll ich ihr lieber den Laufpass geben?«
»Nein, treffen Sie sich weiter mit ihr. Horchen Sie sie aus. Verdammt, holen Sie alles aus ihr raus, was Sie wollen. Aber sagen Sie es mir.« Dann schüttelte er wieder den Kopf und bot mir eine Zigarette an, die ich dankend annahm.
Ich lernte eine Menge von Sekiguchi, vor allem, dass die Zeit, die man sich für scheinbar unwichtige Dinge nimmt, sehr wichtig ist. Immer wenn Sekiguchi einen Yakuza in den Knast steckte, besuchte er danach dessen Familie, kaufte manchmal sogar Lebensmittel für sie oder half der Frau bei Reparaturen. Er besuchte auch den Yakuza im Gefängnis und berichtete ihm, wie es seiner Familie ging. Sekiguchi nahm Verbrechen und Verbrecher nie persönlich, er tat nur seine Pflicht, und sie taten die ihre.
Diese Mühe zahlte sich meistens aus. Denn wenn der Yakuza entlassen wurde und nach Hause zurückkehrte, war er eher bereit, Sekiguchi mit Informationen zu versorgen. Auch wenn er sich nicht mehr mit dem organisierten Verbrechen einließ, hatte er doch immer noch Verbindungen zur Yakuza und konnte Sekiguchi nützliche Tipps geben. Mit der Zeit hatte dieser sich so sein eigenes kleines Yakuza-Informationsnetzwerk aufgebaut. Und ich beschloss, ihm darin nachzueifern, so gut ich konnte.
Im Juli lud
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