Tokio Vice
bestellten wir eine Flasche Champagner, und als das Prickelwasser floss, sprudelten auch die Informationen. Endo hatte den Club regelmäßig besucht und war ein echter Gentleman gewesen. Er war älter als sie, hatte ihr Wein und Essen bezahlt und sie großzügig beschenkt. Und er strahlte eine gewisse tierische Anziehungskraft aus. Sie hatte aus Neugier mit ihm geschlafen und festgestellt, dass er gut im Bett war.
Das Letzte, was sie von ihm gehört hatte, war besagter Anruf gewesen. Sie hatte keine Ahnung, wen er an dem Abend treffen wollte. Sie hatten selten über seine Arbeit gesprochen. Jetzt, da er tot war, vermisste sie ihn, aber sie war nie wirklich in ihn verliebt gewesen. Eines jedoch hatte ihr an ihm nicht gefallen: Da er ganz mit Tätowierungen bedeckt war, hatte sich seine Haut kalt angefühlt. »Manchmal hatte ich das Gefühl, mit einer Schlange zu schlafen. Gut im Sommer, aber nicht im Winter.«
»Kannten Sie Endo ebenfalls?«, fragte ich nun Kimiko.
»Ja, natürlich, aber nicht so gut wie Yumi. Ich mag Yakuza. Sie wissen, wie man eine Frau im Bett befriedigt. Aber außerhalb des Betts sind sie wertlose Blutsauger.«
»Kennen Sie viele Yakuza?«
»Ich war die Geliebte eines Yakuza, ehe ich hier anfing, aber er ist gestorben.«
»Eines natürlichen Todes?«
»Allerdings, er ist beim Sex abgekratzt.«
Da wir uns nur ein kurzes Gespräch leisten konnten, gab mir Yoshihara bald ein zeichen, dass es zeit war zu gehen. Ich dankte Kimiko für ihre Gesellschaft, dann bezahlten wir unsere Rechnung – 30 000 Yen (etwa 300 Dollar) – und verabschiedeten uns voneinander.
Als ich sicher war, dass Yoshihara mit dem Taxi fort war, kehrte ich um, ging zurück in die Bar und setzte mein Gespräch mit Kimiko fort. Da ich noch nie zuvor eine Yakuzabraut getroffen hatte, wollte ich mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.
An diesem Abend kehrte ich nicht mehr ins Büro zurück.
Wahrscheinlich würde es meinem Image als Mann guttun, wenn ich sagen könnte, dass ich sie überredet hätte, die Nacht mit mir zu verbringen. Aber sie hatte stets das Heft in der Hand. Und im Bett war sie wild, aggressiv und eindeutig erfahrener als ich.
Mit dieser Nacht begann etwas, das ich nur als mehrere Monate lang andauernde Dreierbeziehung bezeichnen kann – allerdings nicht in sexueller Hinsicht. Kimiko lieferte mir Informationen über die Welt der Yakuza, und ich reichte sie an Sekiguchi weiter, der seinerseits die Takada-gumi im Auge behielt und mir ab und zu etwas Neues erzählte.
Eines Nachmittags, als Kimiko und ich in ihrer Wohnung Sex hatten, strich sie mir zärtlich mit den Fingernägeln über den Rücken und fragte, ob ich ein Geheimnis erfahren wolle.
»Klar«, antwortete ich, »verrat mir dein Geheimnis.«
»Rate mal, wo Sekine jetzt ist.«
»Wahrscheinlich arbeitet er in seinem Laden.«
»Das glaube ich eher nicht.«
»Okay, gib mir einen Tipp.«
»Den musst du dir erst verdienen ...«
Als ich meinen Teil des Handels erfüllt hatte, fuhr sie fort: »Takada hat ihn. Wahrscheinlich verhören sie ihn gerade.«
»Wie zum Teufel ...«
»Sie werden die Wahrheit schon aus ihm rauskriegen.«
»Woher weißt du das?«
»Einer von Takadas Jungs war gestern Abend in der Bar und hat damit geprahlt. Er sagte, sie würden sich Sekine schnappen, ihn in Stücke schneiden und an seine eigenen Hunde verfüttern.«
»Kann ich mal telefonieren?«
»Wen willst du denn anrufen?«
»Gib mir einfach das Telefon.«
Ich rief Sekiguchi an, der nur zuhörte, keine Fragen stellte, mir dankte und dann sofort auflegte.
Erst vier Tage später sprach ich wieder mit ihm. In der Zwischenzeit war es mir dank Kimiko gelungen, einen Freund Endos, der kein Yakuza war, aufzuspüren und weitere Informationen zu erhalten. Angeblich hatte Endo den Hundezüchter erpresst und wollte ihm seinen ganzen Besitz wegnehmen – Grundstücke, das Haus und das Geschäft.
Sekiguchi freute sich, mich zu sehen.
»Jake, danke für den Anruf neulich. Ihre Information war sehr gut.«
»Was ist denn passiert?«
»Etwa zehn Minuten nach Ihrem Anruf hat sich Takada bei mir gemeldet. Er wollte mich überraschen, aber ich habe ihm keine Chance gegeben, sondern ihn gleich gefragt, was er mit Sekine vorhabe. Der sollte doch tabu für ihn sein. Takada war sehr beeindruckt davon, dass ich schon Bescheid wusste, und meinte: ›Ja, ich habe den Dreckskerl. Ich werde ihm ein paar Fragen stellen, und Sie dürfen gerne heimlich zuhören.‹ Ein verführerisches
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