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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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Sekiguchi mich zu einem Grillabend ein. Die Japaner grillen keine Hotdogs oder Rindfleisch, sondern Fisch, kleine, süße, frische Flussfische namens ayu . Sie werden aufgespießt,
mit Salz eingerieben, über Holzkohle gegrillt und in eine grüne Soße getunkt. Einfach köstlich. Als wir auf seiner Veranda saßen, Cola tranken und die Fische aßen, gab er mir noch einen Rat: »Sie müssen säen, wenn der Boden noch halb gefroren ist. Säen Sie im Frühling.«
    Da es ungewöhnlich für ihn war, in Metaphern zu reden, bat ich um eine Erklärung.
    »Nun, der Hundezüchterfall ist jetzt akut, aber Sie sollten ihm nicht Ihre ganze Zeit widmen, sondern auch mit ein paar anderen Polizisten Kontakt halten. Warum? Weil die derzeit keine guten
Fälle und deshalb reichlich Zeit haben und gegen Ihre Gesellschaft wahrscheinlich nichts einzuwenden haben. Wenn Sie ihnen
etwas bringen würden, an dem sie arbeiten könnten, wären sie
Ihnen dankbar. Besuchen Sie Ihre Informanten, auch wenn
nichts anliegt, dann betrachtet man Sie als Freund oder Kumpel und nicht als gierigen Opportunisten. Vertrautheit schafft Ver-
trauen. Sie sind ziemlich früh auf diesen Fall gestoßen, noch
bevor mein Name bekannt wurde. Darum habe ich Sie hereingelassen.«
    Mit einem Spieß kratzte er den Augapfel eines Fisches heraus und bot ihn mir an. Ich schob ihn in den Mund – gar nicht schlecht. Die beiden Mädchen schauten zu und applaudierten. Dann
bot auch Frau Sekiguchi mir den Augapfel ihres Fisches an,
doch ich lehnte höflich ab. Meine Tagesration hatte ich schon
intus.
    »Wie wird sich dieser Fall Ihrer Meinung nach entwickeln?«, fragte Sekiguchi.
    Ich hatte keine Ahnung.
    »Die Betrugsgeschichte wird wohl platzen. Aber es gibt zwei Leute, die wahrscheinlich wissen, wie Sekine Endo und Kawasaki, den Direktor der Müllbeseitigungsfirma, umgebracht hat. Das sind Ryoji Arai, sein sogenannter Geschäftspartner, und Shima, Arais Fahrer. Es ist ganz einfach. Wir müssen nur einen Grund finden, diese beiden festzunehmen – und sie haben weiß Gott einiges auf dem Kerbholz. Dann spielen wir sie so lange gegeneinander aus, bis sie die Informationen ausspucken, die wir brauchen. Und dann schnappen wir uns Sekine. Das würde ich tun, wenn ich das Sagen hätte, aber leider habe ich nicht das Sagen.«
    »Wer ist Arai, und was hat er mit Sekine zu tun?«
    »Das müssen Sie selbst herausfinden, Jake. Ich könnte es Ihnen
sagen, aber das wäre zu einfach. Erkundigen Sie sich, Sie werden es schon herauskriegen.«
    Während ich mit Kimiko und mit Sekiguchi beschäftigt war, leisteten die anderen Yomiuri -Reporter vorzügliche Arbeit. Sie fanden eine Menge über Sekines Leben heraus. Offenbar hatte er sich immer im Umkreis der Yakuza bewegt. Schon in seiner Jugend war er oft im Büro der örtlichen Gang und hatte ihr als Laufbursche gedient. Aber es war ihm nie gelungen, ein vollwertiges Mitglied zu werden.
    Sein Leben war unauffällig, bis er 1972 anfing, mit exotischen Tieren zu handeln. Das Geschäft blühte zunächst, dann folgten Höhen und Tiefen. 1983 heiratete er und ließ sich in Kumagaya im Norden der Präfektur Saitama nieder. Er senkte seine Unkosten, indem er selbst Schweine und Rinder schlachtete und den Fleischabfall zu Hundefutter verarbeitete. Aber die Nachbarn beklagten sich über das Blut, das aus dem Laden auf die Straße lief, und über die Kadaver, die Sekine zusammen mit anderem Müll einfach wegwarf. Also veränderte Sekine sein Vorgehen, und die Nachbarn gewöhnten sich an ihn.
    Im Büro verglich ich meine Notizen mit denen meiner Kollegen. Ich fand heraus, dass Ryoji Arai und Sekine sich seit etwa zehn Jahren kannten. Bis vor Kurzem war Arai für die Werbung der Tierhandlung zuständig gewesen. Dann hatte er sich mit Sekine zerstritten – doch vorher war Arais Frau verschwunden. Wahrscheinlich hatte Arai sie ermordet, und Sekine hatte ihm geholfen, die Leiche zu beseitigen.
    Von einem Informanten bei der Polizei erfuhr ich, dass Arai gesucht wurde. Denn er hatte es geschafft, sich Mitglieder der zwei größten Verbrecherorganisationen Japans – Inagawa-kai und Sumiyoshi-kai – zum Feind zu machen. Er hatte den Hund des einen verletzt und den anderen um einen großen Geldbetrag geprellt.
    Aus einer anderen Quelle hörte ich, dass ein zetsuenjo auf Arais Namen in Umlauf sei. Wenn jemand eine Yakuza-Gruppe verlässt, verschickt die Organisation zwei verschiedene Arten von Briefen an ihre Mitglieder. Ein hamonjo (»zerbrochenes Tor«)

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