Tolstoi Und Der Lila Sessel
Menschen werden verletzt.
Cliff, der Held in The English Major , wird der sexuellen Aktivitäten nie überdrüssig, aber mit der Zeit begreift er, »dass Sex, wenn man reichlich genug davon gehabt hat, nicht das Ein und Alles menschlicher Existenz ist«. Sex ist nur eines der Bindemittel, die eine Ehe zusammenhalten, aber kein schlechtes. Cliff und seine Frau kommen am Ende des Romans wieder zusammen. Ihre gemeinsame Geschichte, der vertraute, tröstliche Umgang miteinander und ihr nach wie vor glimmendes Begehren führen sie wieder zueinander. Cliff erklärt, dass Liebe und Freundschaft und die vielen gemeinsamen Jahre sehr viel zählen. Aber Sex zählt auch.
Ich habe nie mit meinen Eltern oder mit meinen Schwestern über Sex gesprochen, nicht als Jugendliche und auch später als Erwachsene nicht. Im Gymnasium hörte ich zu, wenn Freundinnen Ratschläge erteilten, aber nichts von dem, was sie sagten, schien mir das Richtige. Was ich wissen wollte, fand ich in Büchern heraus. Ich las die heißen, schwülstigen Sachen, voll bebender Brüste, steifer Nippel und dicker Penisse, aber oft waren diese Bücher so schlecht geschrieben, dass ich mir nicht sicher war, ob ich den Bildern trauen konnte. Ich las Angst vorm Fliegen von Erica Jong und amüsierte mich köstlich, aber an freiem, bedeutungslosem Sex war ich nicht interessiert.
Im Gymnasium hatte ich eine Graham-Greene-Phase und las Ein ausgebrannter Fall , Das Herz aller Dinge , Das Ende einer Affäre und Die Kraft und die Herrlichkeit . Liebe, kombiniert mit Sex, ist in Greenes Welt ein Geschenk Gottes, aber sie bleibt hinter einer noch bedeutenderen Liebe zurück – der Liebe zu Gott. Sex ohne Liebe ist eine Perversion, denn der Sinn besteht ja darin, Leben zu schaffen. Gut, also Sex mit Liebe, die Gleichung verstand ich, und sie gefiel mir. Aber als ich anfing zu studieren, habe ich die Gleichung nicht immer richtig angewendet. Wenn der Sex zuerst da war, täuschte ich Liebe vor. Ich wollte meine Schuldgefühle beschwichtigen, weil es Sex ohne Liebe war. Vorgetäuschte Liebe brachte Melodramatik in mein Leben, das sich in Stimmungsschwankungen, Alkoholexzessen und hässlichen Trennungsszenen ausdrückte.
Das Buch, das mich während meines Studiums mehr als einmal rettete, war Burgers Tochter von Nadine Gordimer. Rosa Burger, die Romanheldin, ist in so vieler Hinsicht nachahmenswert. Nach dem Tod ihres Vaters, eines bedeutenden Anti-Apartheid-Aktivisten, versucht Rosa über sich und ihre Zukunft Klarheit zu gewinnen. Sie flieht vor dem Ruhm, aber auch vor dem Gewicht der Verantwortung, die sie als Tochter des berühmten und einflussreichen Mannes übernehmen soll. Sie ist versucht, sich aus den gesellschaftlich und politisch aktiven Kreisen zurückzuziehen und ein stilles, ereignisloses Leben aufzubauen.
Dann macht Rosa eine Reise nach Südfrankreich, wo sie die erste Frau ihres Vaters besucht. Dort fängt sie eine Affäre an. Sie verliebt sich. Doch es sind eher die Annehmlichkeiten der Beziehung, die Abgeschiedenheit und Anonymität, die sie verführt haben, und weniger der Mann selbst. Ihre Liebe hat nichts Erhabenes oder Inspiriertes, sondern ist einfach nur normal und friedlich. Rosa empfindet es als tröstlich, Teil eines Paares unter vielen zu sein. »In der Hitze, die sie ausgesperrt hatten, aßen Menschen in leisem Geklapper, Gelächter und Gerüchen von Speisen, die so lange auf dieselbe Weise gekocht worden waren, dass ihr Duft der Atem der Steinhäuser war. Hinter anderen Fensterläden gaben sich andere Menschen ebenfalls der Liebe hin.« Sie erwägt, Südafrika für immer zu verlassen und sich in Südfrankreich niederzulassen. Aber ihre Vergangenheit erlaubt es ihr nicht, ein zurückgezogenes Leben in Wohlstand und Zufriedenheit zu wählen. Ihre innere Verbindung mit Südafrika ist zu stark, und sie kehrt in das Land ihrer Jugend zurück, wo sie die Aufgabe, die ihr Vater vor so langer Zeit begonnen hatte, weiterführen will.
Rosa wurde für mich ein großes Vorbild, ihrem Einfluss verdanke ich viele meiner Lebensziele und Träume. Ihre Vorstellungen von Liebe und Sexualität als einem Bereich stiller Ruhe und versteckter Freude berührten mich tief. Sie standen im krassen Kontrast zu meinen eigenen explosiven und schmerzlichen Affären. Ich beruhigte mich, ließ die Liebe zu mir kommen und zügelte innerhalb freundschaftlicher Beziehungen meine Lust, so gut es ging (da gab es einiges zu lernen). Ich war nicht immer treu, aber wenn ich jemanden
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