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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Ursache, warum die Mutter, wie wir gesehen haben, sie verleugnete. Denn weil die alte Frau ihren Teil an dem Gewinn hatte, den dieses sündliche Gewerbe ihrer Tochter abwarf, so leistete sie ihr darin allen ihr möglichen Beistand und Schutz. Aber so weit ging der Neid und Haß von Mollys älterer Schwester, ob sie gleich bei der Beute nicht ganz leer ausging, daß sie solche gutwillig fahren lassen wollte, wenn sie nur ihre Schwester stürzen und ihr das Handwerk legen könnte. Deswegen hatte sie Jones die Nachricht gegeben, sie befinde sich oben im Hahnbalken zu Bette, und hatte gehofft, er würde sie in Quadrats Armen überraschen. Dieser Ueberraschung fand Molly Mittel zuvorzukommen, indem sie die Thüre verriegelt hatte, welches ihr Gelegenheit gab, ihren Buhlen hinter die härene oder Pferdedecke zu verbergen, wohinter er jetzt unglücklicherweise entdeckt ward.
    Quadrat kam nicht so bald zum Vorschein, als Molly in ihr Bett zurücksank, ausrief, sie sei verloren! und sich ganz der Verzweiflung überließ. Dies arme Mädchen, welches noch bloß eine junge Anfängerin in ihrem Gewerbe war, hatte sich noch nicht bis zu der vollkommenen Unbefangenheit hinaufgeschwungen, wodurch sich eine Stadtdame aus der äußersten Verlegenheit zu helfen weiß, und die ihr entweder eine Entschuldigung an die Hand gibt, oder ihr die eiserne Unverschämtheit einflößt, es mit ihrem Ehemanne rechtlich auszumachen, welcher dann aus Liebe zur Ruhe oder aus Besorgnis für seinen guten Namen, und vielleicht zuweilen aus Furcht vor dem Galan, wenn er, wie Herr Konstant in der Komödie, einen Degen führt, nur froh ist, daß er die Augen zudrücken und sein Paar Hörner in die Taschen stecken kann! Molly hingegen ward durch diesen Zeugen zum Verstummen gebracht und gab ein Sache völlig verloren, welche sie bisher mit so viel Thränen und [199] mit so feierlichen und heftigen Beteurungen der reinsten Liebe und Beständigkeit unterstützt hatte.
    Was den Herrn hinter dem Vorhange betraf, so befand sich der in nicht geringerer Bestürzung. Er blieb eine Zeitlang wie versteinert und schien ebensowenig zu wissen was er sagen, oder wohin er seine Augen wenden sollte. Jones, der vielleicht unter allen dreien am meisten erstaunt war, fand am ersten den Gebrauch seiner Zunge wieder und, nachdem er sich unmittelbar von dem unangenehmen Gefühl erholt, welches Molly durch ihre Vorwürfe bei ihm erregt hatte, brach er in ein lautes Gelächter aus, grüßte dann den Herrn Quadrat und ging auf ihn zu, um ihm die Hand zu reichen und ihn aus seinem Gefängniswinkel hervorzuziehen.
    Quadrat, der nunmehr in die Mitte des Kämmerleins gekommen war, woselbst er allein aufrecht stehen konnte, sah Jones mit einer sehr ernsthaften Miene ins Gesicht und sagte zu ihm: »Recht gut, junger Herr! Ich sehe, Sie kitzeln sich mächtig mit dieser Entdeckung und haben, wie ich wohl schwören will, eine innige Freude über den Gedanken, daß Sie mich dem Gelächter preisgeben können; wenn Sie aber die Sache ganz unbefangen betrachten wollen, so werden Sie finden, daß nur Sie allein zu tadeln sind. Mich trifft der Vorwurf nicht, daß ich die Unschuld verführt habe. Ich habe nichts gethan, weswegen mich der Teil der Welt verdammen kann, welcher die Sache nach der wahren Regel des Rechts beurteilt. Die ewige Harmonie hängt ab von der Natur der Dinge und nicht von Gewohnheit und Gebrauch, Formalitäten oder Polizeigesetzen. Nichts ist im Grunde dieser Harmonie zuwider als das, was unnatürlich ist.« – »Gründlich philosophiert, alter Herr!« antwortete Jones. »Aber warum denkt der Herr, ich sollte wünschen, ihn dem Gelächter preiszugeben? Verlass' sich der Herr d'rauf, daß er mir in meinem Leben nicht besser gefallen hat; und der Herr müßte selbst Lust haben, die Sache bekannt zu machen, sonst soll sie meinetwegen ein ewiges Geheimnis bleiben.«
    »Nun wohl, lieber Herr Jones,« erwiderte Quadrat, »ich möchte auch eben nicht für den Mann gehalten werden, der sich aus einem guten Leumund gar nichts machte. Ein guter Ruf ist eine Art von Talon und ist keineswegs zu vernachlässigen. Ueberdem ist es ein gehässiges Laster und eine Art von Selbstmord, wenn man seinen eigenen guten Ruf vernichtet. Wenn Sie also für gut finden, diese meine Schwachheit zu verbergen, (denn Schwachheiten kann ich haben, weil ja kein Mensch ganz vollkommen ist) so versprech' ich Ihnen, daß ich selbst mich nicht verraten will. Man kann nach der Regel des Rechts ganz wohl Dinge

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