Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
erwiderte sie, »nach der grausamen Begegnung, die Sie mir thäten, als [224] ich Ihnen das letztemal sah, wär's wohl die größte Küte, die 'ch von Sie erwarten könnte, wenn Sie mich umbrächten.«
Hier begann eine Kapitulation, welche ich weglasse, weil ich mich nicht verbunden erachte, solche der Länge nach anzuführen. Genug, daß eine ganze Viertelstunde über ihrer Schließung hingebracht wurde, worauf sich die Parteien in den dicksten Teil des Wäldchens begaben.
Einige von meinen Lesern mögen geneigt sein diesen Vorfall für unnatürlich zu halten. Gleichwohl hat die Sache ihre Richtigkeit und vielleicht läßt sie sich hinlänglich erklären, wenn man annimmt, daß Jones wahrscheinlicherweise dachte, ein Frauenzimmer sei besser als gar keins, und Molly ebenso wahrscheinlicherweise der Meinung war, zwei Männer wären besser als nur einer. Der Leser wird auch die Güte haben, zum besten unsers Jones sich zu erinnern, daß außer den vorangeführten Beweggründen seiner jetzigen Aufführung er auch wirklich in diesem Augenblicke nicht Herr von der wundermächtigen Gewalt der Vernunft war, welche weise und ernsthafte Männer so geschickt macht, ihre unbändigen Leidenschaften zu bezähmen und alle Anwandlungen von dergleichen verbotenen Gelüsten von sich abzulehnen. Der Wein hatte jetzt alle dergleichen Macht und Gewalt in unserm Jones weggeschwemmt, wie in allgewaltigen Wassern der Sintflut! Er war wirklich in einem Zustande, worin die Vernunft, hätte sie sich obgleich nur als Ratgeberin ins Mittel legen wollen, leicht eben die Antwort erhalten können, welche ein gewisser Kleostratus bereits vor vielen Jahren einem einfältigen Gesellen gab, der ihn fragte: ob er sich nicht schäme, betrunken zu sein? »Schämst du dich nicht,« sagte Kleostratus, »einem betrunkenen Menschen etwas vorzuwerfen?« – Die Wahrheit zu sagen, muß zwar in bürgerlichen Gerichten Betrunkenheit für keine Entschuldigung gelten; dennoch ist es eine vor dem Gerichte des Gewissens. Deswegen denn Aristoteles, welcher die Gesetze des Pittakus lobt, nach welchen ein Betrunkener doppelte Strafe für sein Verbrechen erlitt, dennoch eingesteht, daß dieses Gesetz sich mehr auf Polizei als auf Gerechtigkeit gründe. Da nun aber manche Vergehungen der Trunkenheit wegen zu entschuldigen sind, so gehören gewiß diejenigen darunter, in welche jetzt unser Jones verfiel; über welchen Satz ich eine große Menge von Gelehrsamkeit auskramen könnte, wenn ich dächte, daß solches meine Leser belustigen oder irgend etwas lehren könnte, was sie nicht bereits wissen. Ihretwegen also will ich meine Gelehrsamkeit lieber nicht auspacken und wieder auf meine Geschichte kommen.
Man hat die Beobachtung gemacht, daß das Glück eine Sache selten nur halb thue: und es ist wahr, ist es einmal in der Laune, [225] jemand etwas zu Gefallen oder zuwider zu thun, so nimmt es mit seinem Hisse Bissen kein Ende. Nicht so bald also hatte sich unser Held mit seiner Dido auf die Seite begeben,
Speluncam Blifil, dux et divinus eandem
Deveniunt –
Wo mit dem göttlichen Helden auch Blifil zu eben derselben Höhle gelangte – –
als der geistliche Herr Schwöger und der Junker Blifil, welche einen ernsthaften Spaziergang zusammen machten, bei der Höhe ankamen, über welche man steigen mußte, um in das Wäldchen zu kommen, und der letzte einen Blick von den Verliebten erhaschte, gerade als sie aus dem Gesichtskreise verschwinden wollten.
Blifil erkannte seinen Jones sehr gut, obgleich in einer Entfernung von ein paar hundert Schritten; und ebenso gewiß war er in Ansehung des Geschlechts seiner Begleiterin, obwohl nicht in Ansehung ihrer eigentlichen Person. Er stutzte, entsetzte sich und sagte ein paar Stoßgebete vor sich hin.
Schwöger bezeigte sein Verwundern über diese plötzliche Gemütsbewegung und fragte nach ihrer Veranlassung. Worauf Blifil antwortete: er sei gewiß, er habe einen Kerl und ein Weibsbild ins Gebüsch schleichen sehen, und zweifle nicht, daß solche auf bösen Wegen gingen. Was Jones' seinen Namen anbetrifft, so hielt er für ratsam den zu verschweigen, und das warum? müssen wir dem Urteil des einsichtsvollen Lesers überlassen; denn wir mögen nicht gern Ursachen für die Handlungen der Menschen anführen, solange noch die geringste Möglichkeit vorhanden ist, daß wir uns dabei irren können.
Ehrn Herr Schwöger, der nicht nur sehr streng keusch für seine eigene Person, sondern auch ein großer Feind des
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