Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
jeder weise Spieler die Notwendigkeit eingestehen wird, genau zu wissen, wie der andre seine Karten zu spielen gewohnt ist, um ihn zwischen die Hand zu bringen, wie der Kunstausdruck lautet. Dies gibt aber eine Ursache an die Hand, warum der weisere Mann, wie man oft sieht, dem schwächern zur Katzenpfote dient, und warum unbefangene, unschuldige Charaktere gemeiniglich mißverstanden und mißdeutet werden; was aber noch wesentlicher ist, dies wird es erklären, wie Sophie ihre Tante hatte hintergehen können.
Nachdem die Mahlzeit geendigt war und die Gesellschaft sich in den Garten begeben hatte, zog Herr Western, der von alledem was seine Schwester ihm gesagt durch und durch überzeugt war, Herrn Alwerth auf die Seite und plumpte mit dem Vorschlage einer Verbindung zwischen Sophien und dem jungen Herrn Blifil heraus.
Herr Alwerth war keiner von jenen Menschen, denen bei einer [247] unerwarteten plötzlichen Nachricht von zeitlichen Vorteilen gleich das Herz pocht. Sein Gemüt war wirklich mit derjenigen Philosophie gestählt, welche einem Mann und einem Christen geziemt. Er heuchelte keine Unempfindlichkeit gegen alles Vergnügen, alle Schmerzen, alle Freuden und allen Gram. Er war aber auch nicht sogleich durch jeden zufälligen Windstoß, durch jedes Lächeln oder Stirnrunzeln des Glücks zerknittert und aus den Falten gebracht. Er hörte also Herrn Westerns Vorschlag an, ohne irgend eine sichtbare Gemütsbewegung und ohne im geringsten seine Fassung zu verlieren. Er sagte, das Bündnis sei von der Beschaffenheit, wie er es aufrichtig wünsche. Darauf ließ er sich in sehr gerechte Lobsprüche über die Verdienste des jungen Fräuleins heraus, gestand, daß das Anerbieten, was den Punkt des Vermögens beträfe, vorteilhaft sei; und nachdem er Herrn Western für die gute Meinung, die er für seinen Neffen geäußert, Dank gesagt hatte, schloß er damit, wenn die jungen Leute einander leiden möchten, so würde er sehr bereit sein, die Sache abzuschließen.
Herr Western war ein wenig betroffen über Herrn Alwerths Antwort, welche nicht so warm war als er erwartete. Er behandelte den Zweifel »ob die jungen Leute einander leiden möchten« mit großer Schnödigkeit, indem er sagte: Eltern wären die besten Richter über die Zulässigkeit der Verbindungen ihrer Kinder; seinerseits würde er auf dem unterwürfigsten Gehorsam seiner Tochter bestehen, und wenn irgend ein junger Bursche eine solche Bettgesellin ausschlagen könnte, so wäre er sein gehorsamer Diener! Und somit hoff' er, wär' das Unglück nicht groß.
Alwerth bemühte sich, seines Nachbarn Zorn durch manche Lobsprüche auf Sophie zu besänftigen und versicherte ihm, er zweifle gar nicht, sein Neffe würde das Anerbieten mit viel Freuden annehmen; aber alles war umsonst! Er konnte von dem Junker keine andre Antwort herausbringen als: »Ich sag' nichts weiter – hoff' unterthänigst, d's Unglück ist nicht groß – dabei bleibt's!« welche Worte er wenigstens wohl hundertmal wiederholte, ehe seine Gäste wegfuhren.
Alwerth kannte seinen Nachbar zu gut, um ihm sein Betragen übelzunehmen; und ob er gleich die Strenge, womit manche Eltern ihre Kinder im Punkte des Verheiratens behandeln, dergestalt mißbilligte, daß er beschlossen hatte, seines Neffen Neigungen niemals Gewalt anzuthun, so war ihm bei dem allem doch die Aussicht auf die Vereinigung sehr angenehm, denn das ganze Land erscholl von Sophiens Lob, und er selbst hatte die ungemeinen Gaben ihres Geistes und Vollkommenheiten ihres Körpers aufrichtig bewundert; wozu wir dann auch noch, wie ich glaube, die Rücksicht [248] auf ihr Vermögen mitrechnen können, denn so wie er zu mäßig war sich davon berauschen zu lassen, so war er doch auch zu vernünftig, um es zu verachten.
Und hier muß und will ich trotz aller belfernden Kritiker in der Welt eine Nebenbetrachtung über die wahre Weisheit einschalten, in welcher Herr Alwerth wirklich ein ebenso großes Muster war, als in der Güte des Herzens.
Wahre Weisheit also, ungeachtet alles dessen, was Herrn Hogarths Poet gegen den Reichtum mag geschrieben haben, und trotz alledem, was irgend ein reicher, wohlgenährter geistlicher Redner gegen das Vergnügen predigen mag, besteht nicht in schnöder Verachtung des einen oder des andern dieser Dinge. Ein Mann kann beim Besitz eines sehr erklecklichen Vermögens ebensoviel Weisheit haben, als irgend ein Bettler in den Gassen, oder kann sich seines schönen Weibes, oder seines herzigen Freundes
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