Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
Geringes sein, dasjenige ausfindig zu machen, was in dem rohen, unerfahrenen Gemüt eines Mädchens vorgeht.« – »Schwester, Schwester!« schrie der Junker, »wie oft hab' ich dich gewarnt, mir nicht mit deinem Hofplauderschnack zu kommen. Ich sag' dir's, ich versteh' das Wischi Waschi nicht, aber ich kann 'en Journal lesen und meinen
Relator refero.
Freilich kommt hin und wieder ein Versch vor, den ich nicht ganz auswendig verstehe, weil die Buchstaben oft abblitzen; aber ich weiß wohl, was der Kerl damit will, daß er den Baum auf beiden Schultern trägt und er's mit niemand verderben darf.« – »
Mon frère,
mich dauert Ihre krasse Unwissenheit von ganzem Herzen!« rief die Dame. – »So? thust du?« antwortete Western, »und ich, ich bedaure dein Hofgeträtsch! Ich weiß nicht, was ich nicht lieber sein wollt', als so 'en Hofsternschlepper und Presbyterianer, und so einer, der 's mit 'm ausländ'schen König hält, wie gewisse Leute, wie ich glaube.« – »Wenn Sie mich meinen,« antworteten Ihro Gnaden, »so wissen Sie, ich bin eine Dame,
mon [242] frère
und es hat nichts zu bedeuten, was ich bin. Ueberdem« –»Weiß wohl, daß du ein Weibsbild bist,« schrie der Junker, »ein Glück ist's für dich; wärst du 'n Mann, verzeih' mir die Sünde, hätt'st schon längst 'ne Dachtel hinter die Löffel, glaub's nur.« – »Ach! da haben wir's!« sagte sie, »in deinen Dachteln hinter die Löffel steckt alle eure eingebildete Oberherrschaft. Eure Fäuste, und nicht euer Gehirn, sind stärker als die unsrigen; glaub' mir der Herr, 's ist ein Glück für die Herren der Schöpfung, daß sie die bäurische Stärke haben, uns zu schlagen, oder wir würden aus euch allen machen was der Tapfere und Weise und Witzige und Höfliche schon ist – unsre Sklaven.« – »Wohl, wohl!« antwortete der Junker, »daß ich weiß, wo ihr 'naus wollt! Aber wollen 'en andermal von der Sache sprechen; jetzund sag' mir nur, wie der Mann heißt, den du meinst mit meiner Tochter.« – »Nur einen Augenblick Geduld,« sagte sie, »daß ich erst die große Verachtung, die ich für das Mannsgeschlecht habe, verdauen kann. Ich möchte sonst dem Herrn Bruder vor Aerger nicht antworten können. So, da! – ich hab' mir Müh' gethan, es zu verschlucken. Und nun, mein guter Herr von Staatsmann, was denken Sie vom Junker Blifil? Fiel sie nicht in Ohnmacht, als sie ihn atemlos zu Boden liegen sah? Und ward sie nicht bleich und blaß den Augenblick, als wir wieder an den Ort kamen, da er wieder aufgestanden war und sie seiner ansichtig ward? und, wenn ich bitten darf, was wäre sonst die Ursache von aller ihrer Melancholei des damaligen Abends beim Souper, des nächsten Morgens, und kurzum die ganze Zeit nachher gewesen?« – »Beim Sankt Jürgen und allen Lindwürmern!« schrie der Junker, »du erinnerst mich d'ran! 'ch weiß alles auf 'en Haar, nun! Mein Seel! so ist's, und 's ist mir lieb von ganzem Herzen. Wußt's wohl, Fiekchen ist 'en gutes Mädchen, und konnt' sich nicht verlieben, mir 'en Aerger zu machen. In meinem Leben hab' ich mich nicht so gefreut; denn, sieh nur! Nichts kann so wacker bein' ander lieg'n, als unsre Feldmarken. Schon manch' liebe Zeit hat mir's Ding im Kopf 'rum gelauf'n. Denn sieh nur, mein Seel! die beiden Güter sind schon sozusagen mit enander versprochen und verheiratet, und 's wär jammer und schad', wenn's geschieden werden sollten. 'S ist wohl wahr, 's gibt größere Güter im Lande, aberst nicht in dieser Grafschaft, und 'ch will lieber mit was wenigern vorlieb nehmen, als mein' Tochter unter fremd' und ausländische Leute verheiraten. Ueber und darzu sind die großen Güter in Händen von dem Grafen- und Baronzeug, und ich hab'n Satan von allen den Hansen! Nu gut, Schwester! was ist's, was rätst mir? denn 'ch sag' dir ja, Weiber verstehen derlei Sachen besser als wir!« –
»O votre servante
très [243] humble Monsieur!«
antworteten Ihro Gnaden, das Fräulein von Western. »Wir sind Ihnen wohl sehr verbunden, daß Sie uns in irgend einer Sache Kapazite zugestehen. Weil Sie also geruhen,
mon très politique frère,
mich um meinen Rat zu bitten, so wäre meine Meinung, Sie trügen selbst diese Verbindung dem Herrn Alwerth an. Es ist kein Indekorum dabei, von welcher Seite der Eltern die Proposition gemacht wird. Der König Alcinous, in Monsieur Popens Odyssee, bietet dem Ulysses seine Tochter an. Ich habe wohl nicht nötig, hoffe ich, einem so staatsklugen Herrn zu insinuieren, daß er eben nicht zu
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