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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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erfreuen, und doch dabei noch immer ebenso weise bleiben, als irgend ein trübsinniger Mönch, der alle seine geselligen Triebe vergräbt und seinen Bauch schmachten läßt, derweil er seinen Rücken tapfer geißelt.
    Die Wahrheit zu sagen, ist der weiseste Mann gerade der tüchtigste, alle zeitliche Vorteile in einem hohen Grade zu besitzen; denn so wie diejenige Mäßigkeit, welche die Weisheit vorschreibt, der sicherste Weg zu nützlichem Reichtum ist, so kann auch eben diese Mäßigkeit allein uns fähig machen, manch ein Vergnügen zu schmecken. Der weise Mann labt jeden Appetit und jede Leidenschaft, unterdessen daß der Thor alle übrigen aufopfert, um nur eine Leidenschaft bis zum Eckel zu sättigen.
    Man kann mir einwerfen, daß sehr weise Männer äußerst geizig gewesen sind. Ich antworte: In dem Fall waren sie nicht weise. Ebenso kann man sagen, daß die weisesten Männer in ihrer Jugend das Vergnügen unmäßig geliebt haben. Ich antworte: Sie waren damals noch nicht weise.
    Kurz die Weisheit, deren Lehren für den, der bei ihr in die Schule gegangen ist, als so schwer zu begreifen hingestellt worden sind, lehrt uns, eine klare Maxime (die selbst von den niedrigsten Ständen allgemein erkannt und befolgt wird) ein wenig weiter auszudehnen, als es in den niedern Ständen angeht, und die heißt: »Kaufe nichts zu teuer.«
    Wer nun diese Maxime mit auf den großen Markt der Welt nimmt und sie bei jeder Ware, sei es Ehre, Reichtum, Vergnügen, oder was da sonst feil ist, zu Rate zieht, der ist, ich wage es zu behaupten, ein weiser Mann und muß nach dem buchstäblichen Sinne des Worts dafür erkannt werden: denn er trifft den besten Handel, weil er in der That jedes Ding für den Preis von ein [249] wenig Mühe einkauft, und bringt alle die obgenannten hübschen Sachen mit nach Hause, und behält dabei seine Gesundheit, seine Unschuld und seinen guten Namen, (die gewöhnlichen Preise, welche andre dafür bezahlen), unverringert, ungeschmälert für sich.
    Von dieser Mäßigung lernt er gleichfalls noch zwei andre Lektionen, welche seinen Charakter vollenden. Erstlich, niemals zu jauchzen, wenn er den besten Kauf gethan hat; und zweitens, niemals niedergeschlagen zu sein, wenn der Markt leer ist, oder wenn der Marktpreis für ihn zu hoch gestiegen sein sollte.
    Jedoch, ich muß nicht vergessen, was ich eigentlich schreibe und muß die Geduld eines gutmütigen Kunstrichters nicht zu sehr mißbrauchen. Hier mache ich also diesem Kapitel ein Ende.

Viertes Kapitel.
    Enthält allerlei Dinge für die Neugier.
     
    Sobald Herr Alwerth zu Hause kam, nahm er seinen Neffen beiseite, und nach einer kurzen Vorrede teilt er ihm den Vorschlag mit, welcher vom Herrn Western gethan worden, und sagte ihm dabei zugleich, wie angenehm ihm selbst diese Verbindung sein würde.
    Sophiens Reize hatten auf Herrn Blifil nicht den geringsten Eindruck gemacht; nicht als ob sein Herz schon vorher verplempert, oder er überhaupt gegen alle Schönheit unempfindlich gewesen wäre, oder, als ob er vor dem weiblichen Geschlechte einen Abscheu gehabt hätte: sondern seine Begierden waren von Natur so gemäßigt, daß er durch Philosophie, durch Studieren, oder durch andre Mittel sehr leicht im stande war, sie zu dämpfen; und was jene Leidenschaft betrifft, von der wir im ersten Kapitel dieses unsers sechsten Buches gehandelt haben, davon hatte er kein Gränchen in seiner ganzen Leibes- und Seelenmasse.
    Aber so gänzlich rein er auch von der gemischten Leidenschaft war, die wir dort behandelten und von welcher Sophiens Tugend und Schönheit einen so vortrefflichen Gegenstand ausmachten: so war er doch mit andern gewissen Leidenschaften fast ebenso reichlich ausgerüstet, die sich einen weiblichen Genuß an dem schönen Vermögen der jungen Braut versprachen. Diese waren Geldgeiz und Ehrgeiz, welche die Herrschaft über sein Gemüt unter sich teilten. Er hatte den Besitz dieses Vermögens schon oft als eine sehr wünschenswerte Sache betrachtet und hatte darüber gewisse entfernte [250] Absichten gehegt und gepflegt. Seine eigene Jugend aber, und die Jugend des Fräuleins, und freilich dann auch und hauptsächlich der Gedanke, daß Herr von Western noch wieder heiraten und mehr Kinder auf die Welt setzen könnte, hatten ihn abgehalten, nicht gar zu hastig bei der Sache zu verfahren.
    Dieses große und höchst wesentliche Hindernis war nun meistentheils gehoben, da der Vorschlag von Herrn Western selbst herkam. Blifil antwortete also dem

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