Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
sagen brauche, seine Tochter sei in den Junker verliebt! das wäre freilich gegen alle Regeln des Wohlstandes.« – »Gut, gut,« sagte der Junker, »will's vorschlagen, aber gewiß gebe ich 'n ene Dachtel hinter die Löffel, wenn er nicht gleich Topp sagt.« – »Unbesorgt für das,
mon frère,
« riefen Ihro Gnaden, Fräulein Western, »die Mariage ist zu vorteilhaft, um sie zu refüsieren.« – »Ja, wer weiß?« antwortete der Junker. »Alwerth ist ein albern Querkopf und geht verdammt geschlossen, und Geld thut 'n nichts.« –
»Mon frère,«
sagte die Dame, »ich erstaune über Ihre wenige Politik, lassen Sie sich denn wirklich durch das blenden, was die Leute sagen? Meinen Sie denn, daß Herr Alwerth mehr Verachtung für's Geld hat, als andre Leute, weil ihm das so zu sagen beliebt? Eine solche Leichtgläubigkeit würde uns schwache Werkzeuge besser kleiden, als das weise Geschlecht, welches der Himmel zu Staatsmännern gebildet hat.
En verité, mon frère,
Sie würden einen feinen Minister
plénipotentiaire
an einem fremden Hofe abgeben, um einen Frieden zu negoziieren. Sie würden sich bald überreden lassen, daß man aus bloßen defensiven Grundsätzen Städte und Festungen wegnähme.« – »Schwester,« antwortete der Junker mit großer Verachtung, »laß deine Freunde bei Hofe sich um die Städte bekümmern und Festungen, die sie uns wegnehmen, weil ein Weibsen bist und keinen Bart hast, will ich dir's zu gute halten, denn ich sollte meinen, sie wären weiser, als Weibern Geheimnisse vertrauen.« Er begleitete dieses mit einem so verächtlichen Lachen, daß Ihro Gnaden, Fräulein von Western, es nicht länger aushalten konnten. Diese Dame war die ganze Zeit über schon an ihrer empfindlichsten Seite geneckt worden (denn sie war wirklich in dieser Materie sehr gründlich erfahren, und verstand darüber gar keinen Spaß), und geriet daher in nicht geringe Wut, erklärte, ihr Bruder sei ein Tölpel und Dummkopf, und sie wolle keinen Augenblick länger in seinem Hause bleiben.
Der Junker, der vielleicht niemals den Machiavell gelesen hatte, war dennoch in manchen Punkten ein vollkommener Staatsmann. Er hielt steif und fest an den weisen Grundsätzen, welche in der [244] Schule der peripatetischen Politiker am Börsengange so eindringlich gelehrt werden. Er kannte den wahren Wert und einzigen Gebrauch des Geldes, nämlich es anzuhäufen. Ebenso war er auch sehr wohl erfahren in der genauesten Wahrscheinlichkeitsberechnung von Leibrenten, Tontinen, Erbschaften, Heimfällen u.s.w. und hatte schon oft den Belauf der Nachlassenschaft seiner Schwester berechnet, nebst der Wahrscheinlichkeit, die er oder seine Nachkommenschaft hatte, solche zu erben. Diese einem nichtsbedeutenden Zwiste aufzuopfern, dazu war er unendlich viel zu weise. Sobald er also fand, daß er die Sache zu weit getrieben habe, so sann er d'rauf, wie er's wieder ins Feine bringen möchte, was denn auch deswegen eben nicht viel Schwierigkeiten kostete, weil die Dame eine große Neigung zu ihrem Bruder, und eine noch größere zu ihrer Nichte hegte; und ob sie gleich gegen eine Geringschätzung ihrer Geschicklichkeit in der Staatswissenschaft, auf welche sie sich nicht wenig zu gute that, vielleicht ein bißchen gar zu empfindlich sein mochte, so war es doch übrigens eine Dame von äußerst gutem und nachgebendem Gemüt.
Nachdem er also vor allen Dingen gewaltsame Hand an die Pferde gelegt hatte, für welche kein andrer Weg aus dem Stalle übrig blieb als durch die Fenster, so machte er sich selbst an seine Schwester, besänftigte und beschwichtigte sie dadurch, daß er alles wieder zurücknahm, was er gesagt hatte, und daß er gerade das Gegenteil von dem behauptete, was sie so in Zorn gejagt hatte. Zuletzt bot er noch Sophiens Beredsamkeit zu seinem Beistand auf, welche außer einem höchst anmutigen und einschmeichelnden Wesen noch den Vorteil hatte, daß ihre Tante sie ungemein gerne und mit Vorliebe reden hörte.
Die Wirkung von alledem war ein gnädiges Lächeln, abseiten Ihro Gnaden des Fräuleins von Western, welche sagten: »
Mon frère,
Sie sind wirklich ein leibhaftiger Kroat; indessen, weil diese auch in der Armee der Kaiserin Königin gebraucht werden, so haben Sie gleichfalls noch einiges Gute an sich. Ich will daher noch einmal einen Friedenstraktat mit Ihnen unterschreiben; nur seh'n Sie zu,
mon frère,
daß Sie solchen Ihrerseits nicht durchlöchern; wenigstens darf ich erwarten, weil Sie ein exzellenter Staatsminister
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