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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Herr von vieler Knochenstärke, zugegen gewesen wäre und mit seinem kräftigen Arm den Junker von Gewaltthätigkeiten abgehalten hätte.
    Den Augenblick, als Sophie weggebracht worden, nahte sich Jones in bittender Stellung dem Junker, welchen der Pfarrer in seinen Armen hielt, und bat ihn, sich zu fassen, weil es unmöglich [269] sei, so lange er in solchem Zorn verharre, ihm die geringste Satisfaktion zu geben.
    »Satisfakschon will 'ch haben von dir,« antwortete der Junker, »und so nur abgeschält den Kittel! Bist'n halber Kerl nur; 'ch will dich wixen, sollst nicht so abgewixt sein in dein'n ganzen Leben!« Hierauf bespritzte er den Jüngling mit einem Ueberfluß von solchen Redensarten, welche unter unerzogenen Landjunkern und Pächtern gewöhnlich sind, wenn sie über eine Sache verschiedene Meinungen behaupten, und dabei gab er ihm wiederholte Einladungen, denjenigen Teil seines Leibes zu küssen, dessen Namen unter dem patriarchalisch lebenden und redenden niedern Adel des Landes in allen ihren Streitigkeiten bei Pferderennen, Hahnengefechten und andern dergleichen Lustbarkeiten so oft gehört, und auf welchen, des lieben Spaßes wegen, so oft angespielt wird, ohne zu bedenken, daß es den Philistern kein Spaß war, als sie vor alten Zeiten den Juden, um ferneres Blutvergießen zu verhindern, fünf goldene und fünf silberne Abgüsse dieses blöden Teils zum Tribute bringen mußten. Bei alledem, glaube ich, herrscht ein allgemeiner Mißverstand bei diesem Witze. Eigentlich steckt es nur im unähnlichen Klange der Wörter Kuß und Fuß, daß ein Herr von jemand fordert, er solle ihm da einen Kuß geben, wohin er demselben kurz vorher gedroht hat, mit dem Fuß zu stoßen; denn soviel habe ich genau bemerkt, daß niemand diesen Kuß einem andern anbietet, noch um den Fußtritt bittet. Es mag gleichfalls bewundernswürdig scheinen, daß bei den vielen Tausenden freundschaftlicher Einladungen von dieser Art, welche ein jeder der mit jenen patriarchalisch-philistrischen Nachkömmlingen nur einigen Umgang hat, gehört haben muß, doch niemand, wie ich glaube, ein einziges Beispiel gesehen habe, wo man das Begehren erfüllt hätte. Ein großer Beweis von ihrem Mangel an feiner Lebensart! denn in der Residenzstadt ist unter den Herren von der feinsten Lebensart nichts gewöhnlicher, als diese Zeremonie täglich bei ihren Obern und Vorgesetzten zu verrichten, ohne einmal von solchen um diese Gunstbezeigung gebeten zu werden.
    Auf diesen Witz antwortete Jones ganz gelassen: »Herr von Western, diese Begegnung mag vielleicht eine jedwede andre Verbindlichkeit, die Sie mir erwiesen haben, aufheben; eine aber ausgenommen, die Sie niemals aufheben werden; auch soll mich Ihr Schimpfen und Drohen nicht so weit aufbringen, meine Hand gegen Sophiens Vater aufzuheben.«
    Bei diesen Worten ward der Junker noch rasender als vorher, so daß der Pfarrer den Jones bat, sich zu entfernen, indem er sagte: »Sie sehen ja, Herr Jones, Ihre Gegenwart macht ihn nur [270] immer ärger; darum lassen Sie mich Sie bitten, hier nicht länger zu verweilen. Sein Zorn ist zu sehr entbrannt, als daß Sie jetzt ein vernünftiges Wort mit ihm wechseln könnten. Sie thun daher besser, Ihren Besuch abzubrechen, und das was Sie zu Ihrer Vertheidigung anzuführen haben, auf eine andre Gelegenheit zu verschieben.«
    Jones nahm diesen Rat mit Dank an und ging den Augenblick fort. Der Junker erhielt nun seine Hände wieder frei und so viel Mäßigung, darüber seine Zufriedenheit zu bezeigen, daß man ihn mit Gewalt zurückgehalten hätte, denn er beteuerte, er würde ihm gewiß das Gehirn aus dem Kopf geschlagen haben, und setzte hinzu: »'s würd' ein'n doch verflucht geärgert haben, wenn man eines solchen Schufts wegen aufs Schafott gekommen wäre.«
    Der Geistliche fing nun an zu triumphieren über den glücklichen Ausgang seines Pazifikationsgeschäftes und ging dann über zu einer Predigt gegen den Zorn, welche vielleicht vermögender gewesen sein möchte, diese Leidenschaft bei einigen hastigen Gemütern eher zu erregen, als zu besänftigen. Diese Predigt verbrämte er mit mancher wichtigen Stelle aus den Alten, besonders aus dem Seneka, welcher wirklich so viel Gutes über diese Leidenschaft gesagt hat, daß ihn niemand, als ein zorniger Mann, ohne großen Nutzen und großes Vergnügen lesen kann. Der Herr Magister schloß seine Standrede mit der Geschichte vom Alexander und Clitus. Doch, da ich finde, daß in meinem Kollektaneenbuche diese

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