Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
abhalten müßte, weiter an sie zu denken. Ich meine die Ungerechtigkeit, die darin läge, einen andern aus einem [274] Herzen zu verdrängen, in dessen Besitz er bereits zu sein scheint, allein der unveränderliche Entschluß des Herrn Western zeigt, daß ich in diesem Falle zur gemeinsamen Glückseligkeit aller beitragen werde, nicht bloß zur Glückseligkeit des Vaters, der auf diese Weise vor dem höchsten Grade des Jammers bewahrt werden wird, sondern auch der übrigen, welche durch jene Verbindung in Not und Elend geraten müßten. Das Fräulein wäre, wie ich gewiß bin, auf alle Weise verloren: denn, außer dem Verluste des größten Teiles ihres Vermögens, würde sie nicht nur mit einem Bettler verheiratet, sondern auch die kleine Mitgabe, welche ihr der Vater nicht verweigern könnte, würde sehr bald an das Weibsstück verschwendet werden, mit welchem er, wie ich weiß, sein Wesen noch bis auf diese Stunde treibt. – Aber das ist noch bloße Kleinigkeit! denn ich kenne ihn als den schlechtesten Menschen von der Welt. Ach! wenn mein teuerster Onkel gewußt hätten, was ich bisher mit vieler Mühe verschwiegen gehalten habe, mein Onkel müßten schon längst einen so äußerst verderbten Menschen seinem eignen Schicksal überlassen haben!« – »Wie so?« sagte Alwerth. »Hat er noch was Schlimmeres ausgehen lassen, als was ich bereits schon weiß? Sage mir's, ich bitte dich.« – »Nein,« antwortete Blifil. »Es ist einmal vorbei! Und wer weiß, ob er's nicht schon bereut hat.« – »Ich befehle dir's bei deinem schuldigen Gehorsam,« sagte Alwerth, »mir zu sagen, was du meinst.« – »Ach! Sie wissen, lieber Herr Onkel,« sagte Blifil, »daß ich Ihnen niemals ungehorsam bin; aber es thut mir leid, daß mir's entfallen ist, weil es jetzt aussehen kann als Rachgier, da doch, dem Himmel sei Dank! solche Gesinnungen noch niemals in mein Herz gekommen sind; und wenn Sie mich nötigen, mit der Sprache herauszugehen, so muß ich herzlich in seinem Namen bitten, daß Sie ihm gewiß verzeihen wollen.« – »Ich will von keinen Bedingungen wissen,« antwortete Alwerth. »Mich deucht, ich hätt' ihm schon Güte genug erwiesen, und mehr vielleicht, als du mir zu verdanken Ursache hast.« – »Gewiß, mein liebster Onkel; mehr als er verdiente,« versetzte Blifil, »denn gerade an demselbigen Tage, da Ihre Krankheit so äußerst gefährlich war, da ich und alle Menschen im Hause Ihretwegen in Thränen schwammen, füllte er das ganze Haus an mit Toben und Lärmen. Er trank und sang und schwärmte, und als ich ihm auf die sanfteste Weise die Unanständigkeit seines Betragens zu verstehen gab, geriet er in die heftigste Wut, fluchte und schwur, nannte mich einen Schurken und fiel über mich her, mich zu schlagen.« – »Wie!« rief Alwerth, »er unterstand sich, dich zu schlagen?« – »Mein Gewissen,« erwiderte Blifil, »ist mein Zeuge, daß ich ihm das längst verziehen habe, ich wünschte nur, daß ich [275] seine Undankbarkeit gegen den allerbesten Wohlthäter ebensoleicht vergessen könnte, und doch auch das, hoffe ich, werden Sie ihm verzeihen; denn er mußte den Tag gewiß von einem bösen höllischen Geiste besessen sein: denn, noch eben den Abend, als Herr Schwöger und ich aufs Feld gegangen waren, um ein wenig freie Luft zu schöpfen und uns über die guten Anzeichen der Besserung, die sich damals mit meines Herrn Onkels Krankheit zu äußern anfingen, in unsern Herzen miteinander zu freuen, sahen wir ihn unglücklicherweise auf eine solche Art mit einem Weibsbilde beschäftigt, welche sich für mich nicht schickt, zu erzählen. Herr Schwöger ging mit mehr Herzhaftigkeit als Ueberlegung auf ihn zu, um ihm Vorstellungen zu thun, als er (es kränkt mich in der Seele, daß ich's erzählen muß) über den würdigen Mann herfiel und ihn so unmenschlich zerprügelte, daß ich wünsche, er möge die Beulen davon nicht noch bis auf diese Stunde aufzuweisen haben. Auch ich bekam meinen Teil von den Wirkungen seiner bittern Bosheit, als ich das meinige thun wollte, meinen guten Lehrer zu beschützen: doch das hab' ich längst vergessen und vergeben! Auch beim Herrn Schwöger hab' ich so viel vermocht, daß er's ihm verziehen und nicht meinem lieben Onkel eine geheime Geschichte erzählt hat, die ihm freilich nichts Gutes hätte zuziehen können. Aber jetzt, mein teuerster Herr Onkel, da ich mir nun einmal unbehutsamerweise von dieser Sache ein Wort habe entfallen lassen, und Ihr Befehl mich genötigt hat,
Weitere Kostenlose Bücher