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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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den ganzen Vorgang zu erzählen, so erlauben Sie mir, daß ich bei Ihnen eine Fürbitte für ihn einlegen dürfe.« – »Gutes Kind,« sagte Alwerth, »ich weiß nicht, ob ich deine Gutherzigkeit, nach welcher du mir solche Schändlichkeiten nur einen Augenblick verschwiegen hast, tadeln oder billigen soll! doch, wo ist Herr Schwöger? Nicht, daß ich von allem, was du sagst, einer Bestätigung bedürfte; aber ich will doch bei dieser Sache jeden Zeugen hören, um vor der Welt das Beispiel zu rechtfertigen, das ich gesonnen bin an einem solchen Ungeheuer aufzustellen.«
    Herr Schwöger ward gerufen und erschien augenblicklich. Er bekräftigte jeden Umstand, welchen der andre ausgesagt hatte. Ja, er zeigte das Protokoll davon auf seiner Brust vor, woselbst Jones' eigne Handschrift in Schwarz und Blau noch sehr leserlich aufgezeichnet stand. Er schloß damit, daß er Herrn Alwerth versicherte, er würde ihm schon längst die Sache erzählt haben, hätte ihn nicht Herr Blifil durch inständiges Bitten daran verhindert. »O!« sagte er, »das ist ein vortrefflicher junger Mensch; obgleich ein solches ›Vergeben seinem Feinde‹ die Sache ein wenig zu weit getrieben heißt.«
    Es war wirklich wahr, daß Blifil sich einige Mühe gegeben [276] hatte, den Herrn Schwöger zu bereden, um zu der Zeit eine Entdeckung, zu verhindern, wozu er freilich mehr als eine Ursache hatte. Er wußte, daß das menschliche Gemüt sehr geneigt ist, sich erweichen zu lassen und von der gewöhnlichen Strenge nachzugeben, solang einer krank ist. Ueberdem war er der Meinung, wenn die Geschichte erzählt würde, solange sie noch so neu und der Arzt im Hause wäre, welcher die eigentliche Wahrheit ans Licht stellen könnte, so würde er keineswegs im stande sein, ihr die hämische Wendung zu geben, die er sich vorgesetzt hatte. Ferner war sein Vorsatz, dies Geschäft solang beiseite zu legen, bis ihm Jones' unbedachtsame Aufführung eine und die andre neue Ursache zu Beschwerden an die Hand geben würde; denn er dachte, wenn das angehäufte Gewicht vieler Thatsachen auf einmal auf ihn fiele, würde es ihn um desto leichter zerschmettern, und demgemäß lauerte er auf eine ähnliche Gelegenheit wie diese, welche ihm das Glück so günstigerweise an die Hand gab. Endlich wußte er auch, wenn er vom Herrn Schwöger erhielte, daß er die Sache auf eine Zeitlang verschwiege, so würde er dadurch die Meinung von seiner Freundschaft gegen Jones bestärken, welche er mit so vieler Mühe seinem Oheim Alwerth beigebracht hatte.

Elftes Kapitel.
    Ein kurzes Kapitel, welches aber Materien genug enthält, um den gutherzigen Leser zu rühren.
     
    Es war Herrn Alwerths Gewohnheit, niemals einen Menschen zu strafen, nicht einmal einen Bedienten zu verabschieden, solange er sich zornig fühlte. Er beschloß also, bis auf den Nachmittag zu warten, ehe er Jones sein Urteil spräche.
    Der arme junge Mensch kam wie gewöhnlich zu Tische; sein Herz war zu schwer belastet, um ihm zu erlauben, zu essen. Sein Gram wurde um ein Großes durch die unfreundlichen Blicke des Herrn Alwerth vermehrt, weil er draus schloß, daß Western die ganze Sache zwischen ihm und Sophien entdeckt hätte. Von Blifils Geschichte aber hatte er nicht den geringsten Argwohn; denn an dem größesten Teile derselben war er völlig unschuldig, und was das übrige anbetraf, so argwöhnte er, weil er selbst vergessen und vergeben hatte, von der andern Seite gleichfalls nicht, daß sie es ihm nachtragen würden. Als das Mittagessen geendigt war und die Bedienten das Zimmer verlassen hatten, fing Herr Alwerth [277] eine Rede an. Er beleuchtete darin ziemlich umständlich die Vergehungen, welche sich Jones hatte zu schulden kommen lassen, besonders aber diejenigen, welche der heutige Tag ans Licht gebracht hatte, und schloß am Ende damit, daß er ihm sagte: Wofern er sich nicht von diesen Beschuldigungen reinigen könne, wäre er entschlossen, ihn auf ewig von seinem Angesichte zu verbannen.
    Es trafen für Jones manche nachteilige Umstände zusammen, die ihn hinderten, seine Verteidigung zu führen; ja, er wußte kaum den Inhalt der wider ihn vorgebrachten Anklage: denn Herr Alwerth, indem er der Betrunkenheit und so weiter während seines Krankenlagers gedachte, überging aus Bescheidenheit jeden Umstand, der auf ihn selbst Beziehung hatte, in welcher doch das Verbrechen eigentlich steckte. Jones konnte also das beregte Faktum nicht leugnen. Sein Herz war ohnedem schon von Kummer überwältigt, und

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