Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
bebebrämten Westen, wart nur! Lieber Jott! 's ist en alt Sprichwort, aber wohl 'n wahr Wort, daß nicht alles Jold ist, was gleist. Ich bin froh, daß ich ihn aus dem Hause los bin.«
Diesen ganzen Tag über marschierten der Wachtmeister und der junge Soldat mit einander, und der erste, welches ein pfiffiger Kumpan war, erzählte dem letztern manches lustige Histörchen von seinen Feldzügen her, ob er gleich wirklich in seinem Leben noch keinen einzigen gemacht hatte, denn er war erst neulich in Dienste gekommen und hatte sich durch seine Verschlagenheit dergestalt bei seinen Offizieren in Gunst gesetzt, daß er sich zu einem Kurzgewehr emporgeschwungen hatte; hauptsächlich freilich durch sein Verdienst um die Werbung, wobei er durch seine verschmitzte List gar vortreffliche Dienste leistete.
Die Soldaten waren auf ihrem Marsche sehr lustig und fröhlich, wobei denn manche Begebenheiten erzählt wurden, welche sich in den letzten Quartieren zugetragen hatten, und jedermann hing mit vieler Freiheit den Offizieren eins an, worunter manches arg und schmutzig genug war und dicht am Verleumden herging. Dies brachte unserm Helden die Gewohnheit der Griechen und Römer in Erinnerung, nach welcher solche bei gewissen festlichen und feierlichen Gelegenheiten ihren Sklaven die Freiheit gaben, mit und über ihre Herren mit der ausgelassensten Zügellosigkeit zu sprechen.
Unsere kleine Armee, welche aus zwei Kompanien zu Fuß bestand, war nunmehr an dem Orte angelangt, wo sie den Abend Halt machen sollte. Der Wachtmeister rapportierte seinem Leutnant, der das Oberkommando hatte: Sie hätten unterwegs zwei Rekruten angeworben, wovon der eine, wie er sagte, ein so hübscher Kerl wäre, als er nur jemals einen gesehn hätte (er meinte damit den Söffler); denn er hätte fast seine sechs Fuß, wäre gut gewachsen [33] und stark von Gliedmaßen, und der andere (womit er Jones meinte) wäre für das mittelste Glied auch gut genug.
Die neuen Soldaten wurden nunmehr dem Offizier präsentiert, welcher, nachdem er vorher den vollzölligen Mann besehen hatte, hernach auch unsern Jones ins Auge nahm. Beim ersten Anblick desselben konnte sich der Leutnant einer gewissen Verwunderung nicht erwehren; denn außerdem, daß er wohlgekleidet ging und einen jungen Menschen von Erziehung verriet, hatte er auch etwas in seinen Blicken, das eine gewisse Würde anzeigte, welches man unter dem gemeinen Haufen selten antrifft und welches wirklich auch nicht immer ganz unzertrennlich mit der Gesichtsgestalt der Vornehmern verbunden ist.
»Mein Herr,« sagte der Leutnant, »mein Wachtmeister rapportiert mir, daß Sie gesonnen sind, sich bei der Kompanie, welche jetzt unter meinem Befehle steht, enrollieren zu lassen. Wenn das Ihr Vorsatz ist, mein Herr, so werden wir einen jungen Mann mit vielem Vergnügen annehmen, welcher der Kompanie so viele Ehre verspricht, indem er unter derselben die Waffen führen will.«
Jones antwortete: »Er habe kein Wort davon gesagt, daß er sich wolle enrollieren lassen; er wäre der rühmlichen Sache, für welche sie zu fechten gingen, mit herzlichem Eifer zugethan und wünschte sehr, als ein Freiwilliger zu dienen.« Er beschloß damit, daß er dem Leutnant einige Komplimente machte und ihm bezeugte, wie glücklich er sich schätzen würde, wenn er unter seinen Befehlen stehen sollte.
Der Leutnant erwiderte seine Höflichkeit, lobte sei nen Entschluß, schüttelte ihm die Hand und lud ihn ein, mit ihm und den übrigen Offizieren zu Mittag zu essen.
Zwölftes Kapitel.
Abenteuer einer Gesellschaft von Offizieren.
Der Leutnant, dessen wir im vorigen Kapitel erwähnt haben und welcher diesen kleinen Haufen kommandierte, war beinahe sechzig Jahre alt. Er war sehr jung in Kriegsdienste getreten und hatte schon als Fähnrich der Schlacht bei Tannieres beigewohnt. Hier empfing er zwei Blessuren und hatte sich übrigens so wohl verhalten, daß ihn der
Duke of Marlborough
gleich nach der Bataille zum Leutnant avancierte.
In dieser Stelle war er seitdem beständig stehn geblieben, das heißt, seit beinahe vierzig Jahren, während welcher Zeit er eine große Anzahl hatte über sich wegspringen sehen müssen, und nun die [34] Demütigung erlebte, unter dem Kommando von Knaben zu stehen, deren Väter noch die Kinderschuhe trugen, als er schon die ersten Dienste that.
Diese Zurücksetzung im Avancement lag indessen nicht bloß daran, daß er keine Freunde unter den Großen im Kriegs-Departement hatte; er hatte das
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