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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Liebe leben, wenn sie kann; lass' sie ihre Liebe zu Markte tragen und sehn, ob ihr gemand Silbergeld, oder auch nur kupferne Heller dafür jeben wird.« – »Ein jeder muß seine eigene Haut zu Markte tragen,« sagte Jones. – »Es muß schon längst,« fuhr der Quäker fort, »ein verabredetes Spiel jewesen sein, mich zu betrügen, denn sie haben sich von Kindesbeinen an jekannt, und ich habe ihr immer jegen die Liebe vorje predigt – ich habe es ihr wohl mehr als tausendmal jesagt, es wäre alles nur sündliche Thorheit damit. Ja, die listige Rahab stellte sich, als ob sie mich anhörte und alle Jelüste des Fleisches nicht achtete, und doch zuletzt aus einem Fenster im zweiten Stockwerke zu brechen! Denn ich fing wirklich an, ein wenig argwöhnisch auf sie zu werden, und hatte sie sorgfältig eingeschlossen, und war willens, sie eben des nächsten Vormittags nach meinem Sinne zu verheiraten. Aber sie machte mir mein Vorhaben in wenig Stunden zunichte und entwischte hin zu dem Liebhaber nach ihrem eijenen Kopfe, der keine Zeit verlor, denn sie waren in einer einzigen Stunde jetraut und zu Bette jebracht.«
    »Aber sie sollen in ihrem janzen Leben keine Stunde so übel anjewandt haben, als diese, denn sie mögen meintwegen hungern, oder betteln, oder stehlen, was jeht mich es an. Ich will ihnen keinen Heller jeben, weder der einen noch dem andern!« Hier sprang Jones auf und sagte: »In der That, Sie müssen mich entschuldigen, ich wünsche, daß Sie mich verlassen möchten!« – »Komm, komm, Freund,« sagte der Quäker, »jib nicht Raum der Betrübnis! du siehst, es jibt noch mehr Leute, denen es unjelücklich jeht; du bist es nicht allein.« – »Ich sehe,« schrie Jones, »es gibt Tollhäusler, Narren und schlechte Buben in der Welt. Aber, Herr, lassen Sie mich Ihnen einen guten Rat geben: schicken Sie nach Ihrer Tochter und Ihrem Schwiegersohne und lassen Sie sie bei sich leben, und sein Sie nicht die einzige Ursach des Elendes einer Person, von der Sie vorgeben, daß Sie sie lieb haben.« – »Zu ihr schicken! sie wieder [28] aufnehmen!« schrie der Quäker ziemlich laut. »Lieber woll' ich zu zwei meiner ärgsten Feinde schicken, die ich in der Welt habe!« – »Nun! meinthalben,« sagte Jones, »gehen Sie nur selbst zu Hause, oder wohin Sie sonst wollen, denn ich will in solcher Gesellschaft nicht länger sitzen.« – »Ei nu, Freund,« antwortete der Quäker, »aufdringen mag ich meine Jesellschaft keinem Menschen.« Er that hiebei, als ob er Geld aus der Tasche ziehen wollte; aber Jones schob ihn mit einiger Heftigkeit zur Thüre hinaus.
    Der Inhalt von des Quäkers Gespräch hatte Jones so ans Herz gegriffen, daß er die ganze Zeit über, da jener sprach, mit wilden Blicken umhersah. Dies hatte der Quäker bemerkt, und dies, zusammengenommen mit dem Uebrigen von Jones' Betragen, hatte dem ehrlichen Platthut den Einfall eingegeben, daß sein Gesellschafter wirklich und im Ernste nicht bei Sinnen wäre. Anstatt also die Beleidigung übelzunehmen, ward der Quäker von Mitleiden über seine unglücklichen Umstände gerührt; und nachdem er seine Meinung dem Wirte eröffnet hatte, bat er ihn, für seinen Gast die äußerste Sorge zu tragen und ihm ja mit der größten Höflichkeit zu begegnen.
    »O nee,« sagte der Wirt, »ich werde ihm nicht so höflich begegnen, denn mir deucht, er ist mit aller seiner verbrämten Weste ebensowenig ein vornehmer Mann, als ich selbst; so en arm Spittelkind, das in en großen Gunkers Hause, ein halb Mandel Meilen von hier, aufjezogen ist, und nun aus dem Hause gejagt worden, wohl eben nicht seiner juten Aufführung wegen. Ich will'n aus'n Hause schaffen, sobald ich nur kann. Verlier' ich denn auch meine Rechnung, so ist der erste Verlust immer der beste. 'S ist noch kein Gahr her, da ist m'r en silberner Löffel weggekommen!«
    »Was sprichst du da von Spittelkindern, Robert«, sagte der Quäker, »du irrst dich jewiß in deinem Mann.«
    »O jar nicht,« versetzte Robert, »der Knecht der ihn hergebracht hat, der kennt ihn recht jut und hat mir's erzählt.« In der That hatte dieser Kerl sich nicht so bald am Küchenfeuer niedergesetzt, als er der ganzen Gesellschaft erzählte, was er von Jones wußte, oder nur jemals von ihm gehört hatte.
    Kaum hatte der Quäker sich von diesem Kerl die Nachricht von Jones' Geburt und seinen geringen Glücksumständen geben lassen, als all sein Mitleiden für ihn verschwand, und der ehrliche schlichte Mann ging nach Hause, in nicht

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