Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
ein, das Ganze sei weiter nichts als eine Erfindung, um ihn hinters Licht zu führen, und daß beim rechten Lichte besehen der Kerl sich habe von Northerton bestechen lassen. Dies kam ihm um so wahrscheinlicher vor, je unnatürlicher die Furcht, worin er zu sein schien, bei einem Soldaten war, der das Zeugnis eines so braven und unverzagten Mannes hatte, als nur irgend einer unter dem Regimente, der in mehr als einem Treffen gewesen war, mehr als eine Wunde aufzuweisen, kurz, der sich beständig als ein wackerer Kriegsmann betragen hatte.
Damit also der Leser nicht die geringste üble Meinung von einem solchen Manne fassen möge, wollen wir's keinen Augenblick länger verschieben, seinen ehrlichen Namen von dieser Beschuldigung zu retten.
Also Herr Northerton hatte, wie wir vorhin bemerkt haben, gnug und satt an dem Ruhme, den er durch seinen Kampf davongetragen hatte. Er mochte vielleicht gesehen, gelesen oder erraten haben, daß der Neid geneigt ist, an großen Namen zu nagen. Nicht daß ich hier zu verstehen gegen wollte, als habe er nach heidnischen Vorurteilen an die Göttin Nemesis geglaubt oder ihr gar geopfert, denn genauer überlegt, bin ich überzeugt, er kannte solche nicht einmal dem Namen nach. Er war überdem von sehr thätigem Geiste und hatte eine große Antipathie gegen die engen Winterquartiere in dem Turme zu Glocester, wohin ihm leicht ein Kriminalrichter sein Billet geben möchte. Auch war er nebenher nicht ganz frei von gewissen lästigen Betrachtungen über ein gewisses hölzernes Gebäude, welches ich, um mich nach der Meinung der Menschenkinder zu bequemen, nicht namentlich nennen mag, welche aber nach meinen Gedanken dieses Gebäude vielmehr in Ehren halten, als sich seiner schämen sollten, weil es der bürgerlichen Gesellschaft nützlicher ist, oder wenigstens nützlicher gemacht werden könnte, als fast alle übrigen, die auf öffentliche Kosten errichtet werden. Mit einem Worte, um nicht noch mehr Ursachen für seine Aufführung aufzusuchen, [55] Herr Northerton trug ein herzliches Verlangen noch an dem Abend abzureisen, und ihm blieb nichts zu thun übrig, als das Quomodo auszusinnen, welches eben keine so leichte Sache zu sein schien.
Nun war dieser junge Herr zwar wohl ein wenig bucklich von Gemüte, aber vollkommen grade von Körper, welcher außerordentlich stark und wohlgebaut war. Auch sein Gesicht ward vom größesten Teile der Weiber für schön geachtet, denn es war breit und blühend, und dabei hatte er ziemlich gute Zähne. Solche Reize ermangelten nicht, auf unsre Wirtin einen Eindruck zu machen, welche an dieser Art von Schönheit kein geringes Wohlgefallen fand. Sie hatte wirklich ein wahres Mitleiden mit dem jungen Manne; und da sie von dem Wundarzte vernahm, daß die Sachen mit dem Volontär leicht mißlich ausfallen könnten, so fürchtete sie, es möchten für den Fähnrich noch schlimmere Aspekten darauf erfolgen. Nachdem sie also die erbetene Erlaubnis erhalten hatte, ihn zu besuchen und ihn in sehr melancholischer Stimmung fand, welche sie noch um gar Merkliches dadurch herunterzog, daß sie ihm sagte, es wäre kaum noch einige schwache Hoffnung für den Volontär, so bediente sie sich der Gelegenheit, gewisse Winke hinzuwerfen, welche der andre willig und gierig auffing, wodurch sie dann bald beide dahin gelangten, sich einander richtig zu verstehen. Und es ward endlich abgeredet, der Fähnrich sollte auf ein gewisses Zeichen in der Feueresse hinaufklettern, welche in einer kleinen Höhe an die Küche stieß, wo er sich wieder herunterlassen könne, wozu sie ihm Gelegenheit machen und um die Zeit die Küsten freihalten wollte.
Damit aber unsre Leserinnen von kälterem Temperament nicht diese Gelegenheit ergreifen und zu hastig alles Mitleiden als eine Thorheit und der menschlichen Gesellschaft schädlich verdammen mögen, so halten wir es für nötig, eines andern besondern Umstands zu erwähnen, der bei dieser Handlung wohl nicht ohne allen Einfluß sein mochte. Es traf sich, daß eben damals der Fähnrich eine Kasse von fünfzig Pfund Sterling besaß, welche zwar freilich nicht ihm, sondern der ganzen Kompanie zugehörte, denn der Kapitän, der mit dem Leutnant über'n Fuß gespannt war, hatte die Löhnung seiner Kompanie dem Fähnrich anvertraut. Dieses Geld fand er indessen für gut, in die Hände der Wirtin niederzulegen; kann sein als eine Art von Sicherheit oder Bürgschaft, daß er sich hernach stellen wolle, um auf die gerichtlichen Klagen Red' und
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