Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
Klinge.«
Hier fiel ihm der andere in die Rede und bat, ihm den Preis zu sagen. Der Wachtmeister, der gar nicht anders glaubte, als Jones habe seine Sinne nicht alle beieinander und wäre seinem Ende sehr nahe, meinte er thäte Sünde, wenn er seiner eigenen Familie dadurch zu nahe thäte, daß er zu wenig forderte, begnügte sich gleichwohl, nachdem er ein paar Minuten nachgedacht hatte, damit, daß er zwanzig Stück Karolinen forderte und dabei schwur, er wollte ihn seinem eigenen Bruder nicht um weniger verkaufen.
»Zwanzig Stück Karolinen!« sagte Jones mit der äußersten Verwunderung. »Der Herr hält mich gewiß für verrückt oder meint, ich habe in meinem Leben noch keinen Degen gesehen. Zwanzig Karolinen! Ich dächte gar! Ich hätte mir nicht eingebildet, daß mich der Herr so zu prellen suchen wollte. – Da, da nehm' der Herr seinen Degen! – Doch nein, besser gedacht, will ich ihn selbst behalten und ihn morgen früh Ihrem Offizier zeigen, und ihm dabei sagen, wie viel Sie von mir dafür gefordert haben.«
Der Wachtmeister, welchem, wie wir gesagt haben, der Kopf
(in sensu praedicto)
allemal auf der rechten Stelle stand, und der jetzt sehr deutlich merkte, daß es mit Jones' Kopfe nicht so beschaffen sei, wie er gedacht hatte, faßte sich auf der Stelle, äffte eine ebenso große Verwunderung nach, als der andere bezeigt hatte, und sagte: »Herr, ich bin gewiß, daß ich Ihnen nicht viel vorgeschlagen habe. Daneben müssen Sie bedenken, daß ich nur den einen Degen habe, und ich's darauf wagen muß, daß mich mein Offizier bestraft, wenn ich selbst ohne 'en Degen gehe; und wahrhaftig! alles das zusammengenommen, so sollt' ich denken, zwanzig Kopfstück wär' nicht so greulich viel dafür!«
»Zwanzig Kopfstück, wie? Der Herr forderte ja den Augenblick zwanzig Stück Karolinen.« – »Wie!« schrie der Wachtmeister, »sicher, Ihr Gnaden haben nicht recht gehört, oder ich habe mich versprochen – Nu! ein Wunder ist's auch nicht; denn ich bin noch halb im Schlafe. Zwanzig Karolinen, ja das glaub' ich! Kein Wunder, daß Ihr Gnaden das so übel nahmen! ich sagte auch zwanzig Stück Karolinen! – Nein, nein, ich meinte zwanzig Kopfstück, versichere Sie; und wenn Ihr Gnaden alles recht bedenken, so hoff' ich, werden Sie den Preis so überteuer nicht finden. Es ist freilich wohl [50] wahr, daß Sie einen Degen, der ebenso hübsch aussieht, wohl für etwas weniger Geld haben könnten, aber –«
Hier unterbrach ihn Jones und sagte: »Ich bin so wenig gesonnen, lange mit Ihnen zu feilschen, daß ich Ihnen lieber noch etwas mehr geben will, als Sie fordern.« Das that er denn wirklich und sagte ihm dabei: er solle nur wieder zu Bett gehen, und er wünschte ihm auf morgen einen guten Marsch, hinzufügend, er hoffte, die Division noch wieder einzuholen, bevor sie Glocester erreicht hätte.
Der Wachtmeister nahm sehr höflichen Abschied, herzlich zufrieden mit seinem getroffenen Handel, und nicht weniger vergnügt über seine Behendigkeit, womit er den falschen Schritt gewendet hatte, wozu er durch die Meinung, daß es dem kranken Manne im Kopfe spuke, sich hatte verführen lassen.
Sobald der Wachtmeister fortgegangen war, stand Jones auf von seinem Bett, kleidete sich völlig an, und zog sogar den Rock über, welcher, da er von weißer Farbe, die Ströme von Blut sehr sichtbar zeigte, welche darüber hingeflossen waren. Er faßte darauf seinen neugekauften Degen in die Hand und war im Begriff fortzugehen, als der Gedanke an das, was er zu thun auf dem Punkt stände, ihn plötzlich überfiel, und er zu überlegen begann, daß er vielleicht innerhalb ein paar Minuten einem menschlichen Wesen das Leben nehmen, oder auch sein eigenes verlieren mochte. »Sehr gut!« sagte er, »und in was für einer Sache wage ich denn mein Leben? Nun, in Sachen meiner Ehre! Und was für ein menschliches Wesen ist es denn? Ein Schurke, der mich, ohne daß ich ihn dazu gereizt habe, beleidigt hat und beschimpft. Aber verbietet nicht die Religion, sich zu rächen? – Ja; aber die Welt dagegen befiehlt es. Wohl! soll ich aber der Welt gehorchen, und dem ausdrücklichen Befehle des Himmels und der Religion zuwider handeln? Soll ich lieber den göttlichen Zorn auf mich laden, als mich von der Welt – ha! eine feige Memme, einen nichtswürdigen Schuft nennen lassen? – Ich will nicht mehr daran denken! Ich bin entschlossen! – Ich muß mich mit ihm schlagen.«
Es war schon über zwölf Uhr, und jedermann im Hause war zu Bett
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