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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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sie endlich von einander schieden. Der Barbier ging nach seinem Hause und Jones begab sich auf sein Zimmer.

Sechstes Kapitel.
    In welchem mehr Talente des Herrn Benjamin zum Vorschein kommen, so wie auch die Entdeckung, wer diese außerordentliche Person war.
     
    Des Morgens ward Jones ein wenig unruhig darüber, daß ihn sein Wundarzt verlassen hatte, weil er besorgte es könnten nachteilige Umstände oder vielleicht gar Gefahr daraus erwachsen, wenn seine Wunde nicht verbunden würde. Er erkundigte sich also bei dem Kellner, was für andre Wundärzte in der Nachbarschaft zu haben wären. Der Kellner sagte ihm, es wohne einer ziemlich in der Nähe, aber er wüßte, der Mann käme nicht gern zu einem Patienten, zu dem er nicht gleich vom Anfange gerufen worden, »wenn aber mein Herr meinem Rate folgen wollen«, sagte er, »so ist weit und breit im ganzen Königreiche kein Mann besser für Sie als der Barbier, den Sie gestern abend bei sich hatten. Wir halten ihn für einen der geschicktesten Männer in der ganzen Nachbarschaft, an einem Menschen zu schneiden; denn er ist noch nicht über drei Monate hier und hat schon verschiedene große Kuren gethan.«
    Der Kellner ward augenblicklich an den kleinen Benjamin abgefertigt, welcher, nachdem er vernommen in was für einem Geschäft man seiner bedürfe, sich dazu gehörig anschickte und sodann seine Aufwartung machte, aber mit einem so verschiedenen Aufzuge und Anstande von dem, welchen er hatte, wenn er sein Barbierbecken unterm Arm trug, daß man ihn kaum für eben dieselbe Person hätte halten sollen. »So, so,
Tonsor,
« sagte Jones, »ich sehe, Sie haben mehr als ein Gewerbe. Warum sagten Sie mir das nicht gestern abend?« – »Die Wundarzenei«, antwortete Benjamin ganz gravitätisch, »ist eine wissenschaftliche Kunst und kein Gewerbe. Die Ursache, warum ich Ihnen gestern nichts sagte, daß ich von dieser Kunst Profession mache, war, weil ich damals glaubte, Sie wären unter den Händen eines andern, und weil ich mich niemals in die Geschäfte meiner Kunstbrüder mische.
Ars omnibus communis.
Jetzt aber, Herr Jones, wenn es Ihnen so gefällig ist, will ich Ihren Kopf untersuchen, und wenn ich in Ihren Hirnschädel gesehen habe, will ich Ihnen meine Meinung von Ihrem
Casu
sagen.«
    [82] Jones hatte keinen großen Glauben an diesen neuen Professor, indessen gab er zu, daß er den Verband abnehme und seine Wunde besehe. Dies war nicht sobald geschehen, als Benjamin anfing zu stöhnen und gewaltig den Kopf zu schütteln, worauf ihm Jones mit verdrießlichem Gesichte sagte, er solle keinen Spaß treiben, sondern ihm sagen in was für Umständen er ihn fände. Der antwortende Barbier sagte: »Soll ich antworten als Wundarzt oder als Freund?« – »Als ein Freund, und zwar ernsthaft,« versetzte Jones.
    »Nun dann, auf meine Ehre und Gewissen!« schrie Benjamin, »es würde nicht wenig Kunst erfordern, zu verhindern, daß Sie nicht nach einigen wenigen Verbänden völlig geheilt wären, und wenn Sie mir erlauben, daß ich etwas von meiner Salbe auflegen darf, so stehe ich für den guten Erfolg.« Jones gab seine Einwilligung, welcher zufolge das Pflaster aufgelegt ward.
    »Nun da, mein Herr,« sagte Benjamin, »jetzt will ich, wenn Sie erlauben, meine vorige Gestalt wieder annehmen, denn ein Mann ist verbunden eine gewisse Würde in seinem Wesen anzunehmen, wenn er dergleichen Operationen, wie diese, verrichtet, oder die Welt würde nicht leiden, sich von ihm behandeln zu lassen. Sie können sich nicht vorstellen, mein Herr, von wie wichtigen Folgen ein ernsthaftes Ansehen für einen Mann von ernsthaften Geschäften ist. Ein Barbier darf Ihnen was zu lachen machen, aber ein Wundarzt muß Ihnen Thränen abnötigen.«
    »Mein Herr Barbier, oder Herr Wundarzt, oder Herr Baderbarbier,« sagte Jones – – »O mein teuerster Herr Jones,« fiel ihm Benjamin antwortend in die Rede, »
Infandum regina jubes renovare dolorem!
Sie rufen mir jene grausame Spaltung der vereinigten Brüderschaften ins Gedächtnis, welche bei den Gesellschaften so nachteilig ist, als alle Spaltungen sein müssen nach dem Spruche der Alten:
Vis unita fortior,
welches noch hin und wieder von einigen unter beiderlei Amtsgenossen richtig verstanden werden mag. Welch ein Schlag war diese Trennung für mich, der ich beides in meiner eignen Person vereinige –«
    »Wohlan,« fuhr Jones fort, »unter welchem Namen von beide Sie auch zu passieren belieben, so sind Sie doch gewiß einer der sonderbarsten

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