Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
liebes Vaterland zurückkommen. Ein Wunsch, der selbst dem Ulysses niemals näher am Herzen gelegen hatte, als dem armen guten Rebhuhn.
Was Herrn Jones anlangt, so zweifelte der gar nicht an der Wahrheit dessen, was der andre vorgegeben hatte, und glaubte, Rebhuhn werde von nichts anderm als von der Liebe zu ihm und dem Eifer für die Sache des Vaterlandes getrieben. Ein tadelnswürdiger Mangel an Behutsamkeit und Mißtrauen in die Wahrheitsliebe andrer, wodurch er sich einer derben Weisung würdig machte! Die Wahrheit zu sagen gibt es nur zwei Wege, auf welchen ein Mensch zu dieser vortrefflichen Eigenschaft gelangen kann. Einer ist eine lange Erfahrung und auf den andern leitet die Natur selbst. Diese letzte ist oft unter demjenigen gemeint, was man Genie oder hellen natürlichen Verstand nennt und ist der unendlich sicherste von beiden, nicht allein deswegen, weil wir darin viel früher in unserm Leben Meister werden, sondern auch, weil er viel sichrer und zuverlässiger ist; denn ein Mann von bloßer Erfahrung kann noch so oft und mannigfaltig betrogen worden sein und dennoch immer hoffen, bei andern mehr Ehrlichkeit anzutreffen; dahingegen ein Mann, der von seinem innern Zeugen gewisse nötige Warnungen darüber erhält, daß das nicht möglich sei, wirklich nur sehr wenig Verstand haben müßte, wenn er sich nur ein einziges Mal der Gefahr bloßstellte, betrogen zu werden. Da Jones diese Gabe nicht von der Natur empfangen hatte, so war er noch zu jung, sich solche durch Erfahrungen erworben zu haben. Denn da dieses weise Mißtrauen, welches nach den Lehrsätzen einer gewissen Sekte geheimer unbekannter Philosophen die Mutter der Sicherheit ist (weswegen denn wohl auch so manche Auftritte gespielt werden, um es dieser Mutter nicht an Kindern fehlen zu lassen), nur erst bei sehr reifen Jahren erlangt werden kann, so ist dies vielleicht die Ursache, warum einige alte Männer so geneigt sind, den Verstand aller derer gering zu schätzen, welche nur ein wenig jünger sind als sie selbst.
Jones brachte fast den ganzen Tag in Gesellschaft eines Bekannten zu. Dies war niemand anders als der Wirt vom Hause, oder richtiger zu sagen, der Ehemann der Frau Wirtin. Er war erst ganz neulich wieder nach einem Lager am Podagra herunter ins Haus gekommen, an welcher Krankheit er gewöhnlich die eine Hälfte [87] des Jahres sein Zimmer hüten mußte und während der übrigen Hälfte im Hause umherwankte, seine Pfeife rauchte und mit seinen Freunden seine Flasche Wein trank, ohne sich im geringsten um das Hauswesen zu bekümmern. Er hatte eine Erziehung gehabt wie eines hübschen Mannes Kind, das heißt, erzogen zum Müßiggange, und hatte ein sehr geringes Vermögen, das er von einem fleißigen Landwirt, seinem Oheim, geerbt, mit Jagen, Pferderennen und Hahnengefechten durchgebracht und sich dann mit der Frau Wirtin verheiratet, die ihm wegen gewisser Endzwecke ihre Hand gegeben, welchen zu entsprechen er schon längst aufgehört hatte, weswegen sie ihn recht herzlich haßte. Weil er aber eine dickhäutige Art von Gesellen war, so begnügte sie sich damit, ihm sehr nachteilige Vergleichungen mit ihrem ersten Ehemanne aufzuschüsseln, dessen Lob und Preis sie unaufhörlich im Munde führte, und so wie sie sich des größten Teils des Profits bemächtigte, so ließ sie sich's auch gefallen, die Regierung und Besorgung des Haus- und Wirtschaftswesens auf ihre eignen Schultern zu nehmen und nach einem langen und glücklichen Kämpfen ihrem Manne nachzugeben, daß er sein eigner Herr sein durfte.
Des Abends als sich Jones nach seinem Zimmer begab, erhob sich über ihn ein kleiner Zank zwischen diesem zärtlichen Ehepaare. »Was!« sagte sie, »hast du mit dem Herrn gesöffelt, wie ich sehe!« – »Ja,« antwortete der Gemahl, »wir haben unsre Flasche miteinander ausgestochen; es ist eine hübsche Art Herrn von Manne, das muß ich sagen, und versteht sich nicht übel aufs Pferdefleisch. Jung ist er freilich noch etwas und kennt noch eben die Welt nicht, denn ich glaube, bei viel Pferderennen ist er noch nicht gewesen.« – »Ho, ho!« versetzte die Gattin, »ist er von deinem Orden, ist er nicht? So, ja, so muß er wohl ein Junker sein, wenn er ein Pferdeverständiger ist. Hol' der Satan solche Pferdejunker! Gott weiß, ich wollte, ich hätte in meinem Leben keinen zum Ansehen gekriegt. Ich habe wohl Ursache Pferdekennern gut zu sein! Ich, ja wahrhaftig!« – »Das hast du,« sagte der brave Ehemann, »denn ich bin selbst einer,
Weitere Kostenlose Bücher