Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
pflegt das die unterscheidende Eigenschaft Ihrer Profession nicht zu sein,« antwortete Jones. – »Ach, mein lieber Herr,« versetzte Benjamin. »
Non si male nunc, et olim sic erat.
Ich bin weder ein geborner, noch erzogener Barbier, versichere ich Sie. Ich habe meine meiste Zeit unter sehr anständigen Leuten zugebracht, und ich darf es sagen, ich weiß ein wenig, wie es bei vornehmen Leuten hergeht; und hätten Sie mich Ihres Vertrauens ebenso würdig geachtet, als Sie es gewissen andern Leuten geschenkt [78] haben, Sie hätten sehen sollen, daß ich ein Geheimnis zu verwahren weiß. Von mir hätte Ihr Name nicht in der Küche eines öffentlichen Wirtshauses heruntergekanzelt werden sollen. In der That, Herr Jones, gewisse Leute sind schlecht mit Ihnen umgegangen; denn außerdem, daß sie's so öffentlich ausrufen, was Sie ihnen von einer Veruneinigung zwischen Ihnen und dem Herrn Junker Alwerth anvertraut haben, so setzen sie auch noch Sachen von eigener Erfindung hinzu, von denen ich weiß, daß es Lügen, lauter Lügen sind.« – »Sie setzen mich in Erstaunen!« sagte Jones. – »Auf mein Wort,« erwiderte Benjamin, »ich sage Ihnen die Wahrheit, und habe wohl nicht nötig hinzuzusetzen, daß es die Wirtin ist, welche diese Schandtrompete bläst. Es ging mir durch die Seele, die Geschichte mit anzuhören: und, ich hoffe, sie soll durchaus falsch sein, denn ich habe für Sie großen Respekt, das versichere ich Sie, habe ich! und habe ihn immer gehabt, seit der Gutherzigkeit, welche Sie am schwarzen Jakob bewiesen, wovon weit und breit umher gesprochen wurde, und worüber mir mehr als ein Brief geschrieben ist. In der That, es machte Sie bei jedermann beliebt. Sie werden mir also verzeihen, denn ich hatte einen wirklichen Kummer über das, was ich gehört hatte, und das trieb mich an, Ihnen die Frage zu thun; denn ich habe keine dumme Neugier an mir, aber ich liebe ein gutes Herz, und daher
amoris abundantia erga te.
«
Bei einem Menschen, den der Unglückswind anweht, finden alle Freundschaftsversicherungen leicht Glauben; es ist daher kein Wunder, daß Jones, der außerdem noch, daß er unglücklich, auch von Natur außerordentlich offenherzig war, allen diesen Versicherungen des Benjamin gar willig Glauben beimaß und ihn in seinen Busen aufnahm. Die kleinen lateinischen Brocken, von denen Benjamin einige immer noch schicklich genug anbrachte, ob sie gleich eben nicht nach einer tiefen Litteratur schmeckten, schienen doch etwas mehr als einen alltäglichen Bartscherer anzudeuten. Jones glaubte also an die Wahrheit dessen, was er von seiner Herkunft und Erziehung erzählte, und endlich, nach oft wiederholtem Anliegen, sagte er zu ihm: »Weil Sie denn einmal so viel von meinen Angelegenheiten gehört haben, mein Freund, und so begierig scheinen, die Wahrheit zu wissen, so will ich Ihnen den ganzen Zusammenhang erzählen, wenn Sie Geduld genug haben, es anzuhören.« – »Geduld genug!« rief Benjamin, »die hab' ich, und wenn das Kapitel auch noch so lang ist; und ich bin Ihnen unendlich für die Ehre verbunden, die Sie mir erzeigen.«
Jones erzählte ihm also die ganze Geschichte, und vergaß bloß einen oder ein paar Umstände, namentlich alles und jedes, das an dem Tage vorging, an welchem er sich mit Herrn Schwöger geschlagen [79] hatte, und endigte mit seiner Entschließung, zur See zu gehn, bis die Rebellion an der schottischen Grenze ihn diesen Vorsatz hatte aufgeben lassen und ihn an den Ort gebracht hatte, wo er jetzt war.
Der kleine Benjamin war ganz aufmerksam und sagte während der ganzen Erzählung kein Wort, als sie aber zu Ende war, konnte er sich nicht entbrechen zu bemerken, daß ganz gewiß noch mehr Erfindungen seiner Feinde dahinter stecken und Herrn Alwerth gegen ihn aufgebracht haben müßten, sonst würde ein so guter Mann einen Jüngling nicht von sich entfernt haben, den er bis dahin immer so zärtlich geliebt habe. Worauf Jones antwortete, er zweifle nicht, man müsse sich wohl niederträchtiger Künste bedient haben, um sein Verderben zu bewirken.
Und allerdings war es irgend einem Menschen kaum möglich, daß er nicht mit dem Barbier dieselbe Bemerkung hätte machen sollen, welcher von Jones nicht einen einzigen Umstand vernommen hatte, worüber er war verurteilt worden, denn seine Handlungen waren jetzt nicht in das nachteilige Licht gestellt, in welches man sie dem Herrn Alwerth fälschlich vorgeschoben hatte. Er konnte auch nicht einmal der vielen falschen Anklagen
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