Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
finden konnte, und der seine eigne Neigung gar nicht, sondern nur das beste der andern zu Rate gezogen hatte, wenn er ihn beredete daheimzubleiben, als er seinen Freund so entschlossen fand, gab endlich seine Einwilligung; besann sich aber bald wieder und sagte: »Vielleicht, Herr Rebhuhn, glauben Sie, ich sei im stande, Ihnen Unterhalt zu geben, aber das kann ich wirklich nicht;« und hierbei zog er seinen Geldbeutel hervor und zählte ihm neun Guineen vor und erklärte, daß hierin sein ganzer Reichtum bestände.
Rebhuhn antwortete, seine Rechnung ginge nicht auf sein gegenwärtiges, sondern bloß auf sein künftiges Glück; denn er wäre völlig überzeugt, Jones würde bald Vermögen genug besitzen. »Für jetzt, Herr Jones,« sagte er, »glaub' ich, bin ich von beiden bei weitem der reichste; alles aber, was ich habe, steht ohne Ausnahme zu Ihrem Dienst und Befehl. Ich verlange aufs ernstlichste, daß Sie alles zu sich nehmen, und bitte um nichts weiter, als daß ich Sie in der Eigenschaft eines Bedienten begleiten dürfe.
Nil desperandum est Teucro duce et auspice Teucro.
« Von dem großmütigen Vorschlage, das Geld betreffend, wollte nun aber Jones ein für allemal nichts hören.
Es war beschlossen, den nächsten Morgen die Reise anzutreten, als sich in Ansehung des Reisegelds eine Schwierigkeit hervorthat, weil Jones' Mantelsack zu groß und schwer war, um ihn ohne Pferd fortzubringen.
»Darf ich's wagen, meinen Rat zu geben?« sagte Rebhuhn. »Diesen Mantelsack mit allem, was darin ist, einige wenige Wäsche [85] ausgenommen, sollten wir dahinten lassen. Diese Wäsche kann ich für Sie leicht tragen und Ihre Kleider können ganz sicher in meinem Hause unterm Schlosse bleiben.«
Dieser Vorschlag ward ebensobald angenommen als gethan, und gleich darauf ging der Barbier fort, um alles Nötige zu der vorhabenden Reise zu beschicken.
Siebentes Kapitel.
Enthält bessere Gründe, als alle die, welche wir bisher für das Betragen Rebhuhns wahrgenommen haben; Schutzrede für Jones, Kurzsichtigkeit; und noch ein paar Anekdoten von unsrer Frau Wirtin.
Obgleich Rebhuhn zu den abergläubigsten Menschen gehörte, so würde er doch wohl schwerlich bloß auf Treu und Glauben seiner Träume vom Fallen über den Stuhl und der weißen Stute begehrt haben, den Herrn Jones auf seiner Reise zu begleiten, wenn er keine bessern Aussichten vor sich gehabt hätte, als die in Krieg und Schlachten eroberte Beute mit ihm zu teilen. Die Sache war diese: Als Rebhuhn über die von Jones gehörte Erzählung nachdachte, konnte er's in seinem Kopfe nicht reimen, daß Herr Alwerth seinen Sohn (denn dafür hielt er ihn steif und fest) wegen irgend einer der Ursachen, die er gehört hatte, sollte aus dem Hause gestoßen haben. Er machte also den Schluß, die ganze Geschichte möchte wohl eine Erdichtung sein, und Jones, von dem ihm seine Korrespondenten oft geschrieben, es sei ein sehr wilder Kopf, möchte wohl im Ernste von seinem Vater entlaufen sein. Er setzte sich's also in Sinn, wenn er's über den Jüngling erhalten könnte, daß er wieder nach Hause kehrte zu seinem Vater, so würde er dadurch dem Herrn Alwerth einen angenehmen Dienst leisten, der seinen ehmaligen Zorn gänzlich besänftigen müßte. Ja, er ging in seiner Grübelei soweit, daß er diesen Zorn für Verstellung hielt und meinte, Alwerth habe ihn seinem eignen guten Namen aufgeopfert. Und dieser Verdacht konnte ihm wirklich so ziemlich gegründet scheinen wegen der zärtlichen Gewogenheit, die dieser vortreffliche Mann gegen Jones äußerte, wegen der großen Strenge gegen Rebhuhn, der, weil er sich selbst unschuldig wußte, nicht begreifen konnte, daß ein andrer ihn für schuldig achten sollte, und endlich auch wegen der heimlichen Beisteuer, die er noch lange nachher von ihm erhalten hatte, als er ihm öffentlich die jährliche Pension genommen hatte, welche er als eine Art von Schmerzengeld, oder vielmehr als einen Ersatz für das ihm zugefügte Unrecht ansah: denn es ist sehr ungewöhnlich, glaub' ich, daß die Menschen die Wohlthaten, die sie von [86] jemand genießen, bloß seiner Barmherzigkeit zuschreiben, solange sie nur noch irgend einen andern Beweggrund dafür ersinnen können. Wenn er also, auf welche Art es auch anginge, den Jüngling bewegen könnte wieder heimzukehren, so zweifelte er nicht, Herr Alwerth würde ihm seine Gunst wieder angedeihen lassen und ihm seine Mühe sehr reichlich belohnen. Ja, auf diese Weise könnte er wieder in sein
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