Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
steigen würd' und welches hinstürzen.
Nun ist unsere Willensmeinung, in den folgenden Blättern einer jener ganz entgegenstehenden Methode zu folgen. Wenn sich ein außerordentlicher Auftritt darbietet (und wir verlassen uns darauf, solche Fälle sollen nicht selten vorkommen), so werden wir weder Mühe noch Papier sparen, um solchen unserem Leser mit Anfang und Ende vor die Augen zu bringen: sollten aber ganze Jahre hingehen, ohne daß solche etwas hervorbrächten, was seiner Aufmerksamkeit wert wäre, so soll uns eine Lücke in unserer Geschichte keinen Kummer machen, sondern wir werden forteilen zu Dingen von Wichtigkeit, und solche Zeitperioden ganz unbemerkt vorbeistreichen lassen.
Diese kann man wirklich als Nieten in der großen Zeitlotterie ansehen. Also wollen wir, als wohlbestallte Buchhalter bei dieser Lotterie, jenen klugen Männern nachahmen, welche ihr Wesen mit jenen haben, die in großen Städten auf den Rathäusern gezogen werden; welche Männer das Publikum keineswegs mit den vielen Nieten behelligen, die sie austeilen; wird aber ein beträchtlicher Gewinn gezogen, flugs lassen sie es in Zeitungen und Intelligenzblättern ankündigen, und die Welt ist sicher, zu erfahren, bei welchem Kollekteur das glückliche Los gekauft ist. Es ist sogar nicht ungewöhnlich, daß zwei oder drei verschiedene Kollekten auf diese Ehre Anspruch machen; wodurch dann, wie ich glaube, den Glücksspielern [54] zu verstehen gegeben werden soll, als ob gewisse Makler Madame Fortunens Vertraute und ihre wirkliche Geheimen Räte wären.
Mein Leser muß sich also nicht wundern, wenn er im Fortgange dieses Werks einige Kapitel sehr kurz und andere dagegen sehr lang findet. Etliche, die nur den Zeitraum eines einzigen Tages enthalten, und andre, die ganze Jahre umfassen. Eine Einrichtung, wegen welcher ich mich keinem kleinen oder großen kritischen Gerichtshofe Red' und Antwort zu geben für schuldig halte: denn, da ich der wahre erste Stifter einer neuen Provinz in der Gelehrten-Republik bin, so klebt mir das Recht an, derselben nach meinem eigenen Gefallen Gesetze zu geben. Und an diese Gesetze sind meine Leser, die ich als meine Unterthanen betrachte, verpflichtet, mit freudiger Unterwerfung zu glauben; und damit sie hierzu um so bereitwilliger sein mögen, gebe ich ihnen hiermit die Versicherung, daß ich bei allen solchen Institutionen vorzüglich ihr eigenes Beste und Wohlsein beabsichtigen werde; denn ich bilde mir nicht ein, wie ein Tyrann
von Gottes Gnaden,
daß sie meine Sklaven oder sonst ein verkäufliches Eigentum sind. Ich bin wirklich bloß zu ihrem eigenen Besten über sie gesetzt worden, und ich ward für ihren Nutzen geschaffen, und nicht sie für den meinigen. Sonach zweifle ich nicht, sie werden, so lange ich ihr Bestes zur herrschenden Regel meines Schreibens mache, einhellig das ihrige beitragen, um meine Würde aufrecht zu erhalten, und werden mir alle die Ehre erweisen, die ich verdienen oder nur verlangen mag.
Zweites Kapitel.
Fromme Warnungen gegen zu günstige Behandlung der Bankerte und eine von Jungfer Deborah Wilkins gemachte große Entdeckung.
Acht Monate nach feierlich vollzogenem Beilager des Kapitäns Blifil mit dem Fräulein Brigitta Alwerth, einem jungen Frauenzimmer von großer Schönheit, vielem Verdienst und Reichtum, ward die junge Dame wegen gehabten Schrecks von einem wackern Söhnlein entbunden. Das Kind war freilich, allem Anscheine nach, vollkommen; die Hebamme aber entdeckte, es sei einen Monat zu früh gekommen.
Obgleich die Geburt eines Erben seiner geliebten Schwester für Herrn Alwerth eine sehr fröhliche Begebenheit war: so verminderte solche doch die Gewogenheit nicht, die er für seinen kleinen [55] Findling hegte, den er aus der Taufe gehoben und nach seinem eigenen Namen
Thomas
genannt, und bis dahin selten verfehlt hatte, wenigstens einmal des Tages auf seiner Kinderstube zu besuchen.
Er sagte seiner Schwester, wenn's ihr so gefällig wäre, so könnte dem Neugebornen einerlei Wartung und Erziehung mit dem kleinen Thomas gegeben werden; worein sie auch willigte, obgleich ein wenig ungern: denn sie war wirklich gegen ihren Bruder gar sehr gefällig; und daher war sie dem Findling beständig viel liebreicher begegnet, als wohl Damen von strenger Tugend zuweilen über sich zu gewinnen vermöchten, solchen Kindern zu begegnen, die bei aller ihrer Unschuld, doch mit Recht, lebende Denkmale der
Unenthaltsamkeit
genannt werden können.
Der Kapitän konnte es
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