Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
ein sehr beträchtlicher Aufstand zur Unterstützung des Duke of Monmouth. Und da meine Grundsätze auch mich sehr stark auf diese Seite zogen, so faßte ich den Entschluß, mich zu seinem Heer zu begeben; und da der Herr Watson aus andern Ursachen in diesen Entschluß einstimmte, (denn der Trieb zum Spiele wird bei solchen Gelegenheiten über einen Mann ebensoviel vermögen, als der Trieb eines Patrioten), so machten wir bald Anstalt, uns mit allem Benötigten zu versehen und begaben uns zu dem Haufen unter dem Duke zu Bridgewater. Mit dem unglücklichen Ausgange dieser Unternehmung sind Sie, denk' ich, ebenso bekannt wie ich selbst. Ich entkam mit Herrn Watson aus der Schlacht bei Sedgemore, nachdem ich in diesem Treffen eine leichte Wunde bekommen hatte. Wir ritten zusammen wohl sechzehn Stunden Weges auf der Exeter Heerstraße. Alsdann verließen wir unsre Pferde, schlichen uns so gut wir konnten durch die Felder und Nebenwege, bis wir bei einer kleinen wilden Hütte an einem Viehanger anlangten, woselbst eine arme alte Frau so viel Sorge für uns trug, als sie nur konnte, und meine Wunde mit einer Salbe verband, wodurch sie sehr bald geheilt wurde.«
»O lieber Herr,« sagte Rebhuhn, »wohin bekamen Sie die Wunde?« – Der Fremde befriedigte ihn, indem er sagte: »In den Arm!« und fuhr drauf in seiner Erzählung fort: »Hier, meine Herrn,« sagte er, »verließ mich Herr Watson des nächsten Morgens, um, wie er vorgab, aus der Stadt Cullumpton einige Lebensmittel für uns zu holen; aber – kann ich's erzählen? und werden Sie es glauben können? – Dieser Herr Watson, dieser Freund, dieser niedrige, barbarische, verräterische Schurke, verriet mich an einen Trupp Reiter von dem Heere des Königs Jakob und überlieferte mich bei seiner Zurückkunft ihren Händen.
Diese Reiter, ihrer sechse an der Zahl, hatten sich nun meiner bemächtigt und führten mich nach dem Gefängnis zu Taunton. Aber weder meine gegenwärtige Lage, noch die Furcht vor dem, was mir widerfahren würde, waren meiner Seele nur halb so unerträglich, als die Gesellschaft meines falschen Freundes, welcher, da er sich ebenfalls ergeben hatte, als ein Gefangener angesehen, aber besser behandelt wurde, weil er seinen Pardon auf meine Kosten [137] bewirken sollte. Anfangs bemühte er sich, seine Verräterei gegen mich zu entschuldigen; da er aber von mir nichts anderes als Verachtung und Vorwürfe erhielt, veränderte er bald den Ton, schalt mich den hämischsten, tückischsten Rebellen und setzte sein ganzes Verbrechen auf meine Rechnung; beteuerte, ich habe ihn verführt, sogar durch Drohungen dahin gebracht, die Waffen gegen seinen allergnädigsten, ja allerrechtmäßigsten Souverän zu ergreifen.
Diese falsche Anklage (denn in der That war er der bereitwilligste von uns beiden gewesen) durchbohrte mir das Herz und erregte einen solchen Zorn in mir, den sich schwerlich jemand vorstellen kann, der ihn nicht selbst gefühlt hat. Unterdessen hatte endlich das Glück Mitleiden mit mir; denn als wir eine kleine Strecke jenseits Wellington in einen engen hohlen Weg gelangt waren, erhielten meine Wächter eine falsche Nachricht, daß ungefähr fünfzig Mann von dem Feinde sich in der Nähe befänden; worauf sie auf ihr eignes Heil bedacht waren und mir und meinem Verräter überließen, dasselbe zu thun. Der Nichtswürdige rannte von mir weg, und noch ist mir's leid, daß er's that; denn sonst hätt' ich gewiß getrachtet, ob ich gleich keine Waffen hatte, für seine Niederträchtigkeit tötliche Rache zu nehmen.
Ich war nun abermals in Freiheit. Ich verließ augenblicklich die Heerstraße, wandte mich auf die Felder, ging immer fort und wußte kaum, welchen Weg ich ging. Meine vornehmste Sorge war, alle öffentlichen Wege, alle Städte und Flecken, ja selbst die schlechtesten Bauernhäuser zu vermeiden; denn ich bildete mir ein, jedes menschliche Geschöpf, das ich sah, ginge darauf aus, mich zu verraten.
Zuletzt, nachdem ich verschiedene Tage im Lande herumgeirrt war, während welcher Zeit das offene Feld mir einerlei Bett und einerlei Nahrung mit derjenigen reichte, welche die Natur unsern wilden Brüdern der Schöpfung beschert, langte ich endlich an diesem Orte an, wo mich die Einsamkeit und Wildnis der Gegend einlud, meine Wohnung aufzuschlagen. Die erste Person, bei der ich meine Wohnung nahm, war die Mutter dieser alten Frau, bei der ich mich so lange verborgen hielt, bis die Zeitung von der glückseligen Thronveränderung aller meiner
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