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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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bedurfte sie doch so oft seines Beistandes, um ihr über die Stiegel zu helfen, und dabei begegnete ihr so manches Straucheln und andre kleine Zufälle, daß er oft genötigt war sich gegen sie umzukehren. Indessen hatte er doch besser Glück, als ehedem Orpheus in dem ähnlichen Falle, denn er brachte seine Gefährtin oder vielmehr Nachfolgerin ganz wohlbehalten nach der berühmten Stadt Upton.

Drittes Kapitel.
    Die Ankunft des Herrn Jones mit seiner Dame in dem Gasthofe, nebst einer ausführlichen Beschreibung der Schlacht zu Upton.
     
    Obgleich der Leser, wie wir nicht zweifeln, sehr begierig ist zu wissen, wer diese Dame war, und wie sie in des Fähnrichs Northerton Hände gefallen, so müssen wir ihn doch bitten, seine Neugierde noch bis auf eine kurze Zeit zur Ruhe zu verweisen, da wir aus sehr guten Gründen, die er vielleicht hier nicht erraten wird, genötigt sind, seine Befriedigung noch ein wenig länger aufzuschieben.
    Herr Jones und seine schöne Gefährtin gingen bei ihrem Eintritt in die Stadt auf den Gasthof zu, der in ihren Augen das beste Ansehn nach der Gasse machte. Nachdem hier Jones einem Bedienten [155] befohlen hatte, ihm ein Zimmer im zweiten Stocke anzuweisen, stieg er die Treppen hinauf und die Schöne mit verwilderten Haaren und Kleidung folgte ihm hastig nach, als sie der Herr des Hauses plötzlich beim Rockzipfel erwischte und schrie: »He da! wo will das Bettelmensch hin! Keinen Schritt weiter! sag' ich!« – Jones aber donnerte in eben dem Augenblick von oben herab: »Laßt die Dame heraufgehen!« und das in einem so gebieterischen Tone, daß der gute Mann augenblicklich seine Hand losließ und die Dame den kürzesten Weg zum Zimmer nahm.
    Hier wünschte ihr Jones Glück zu ihrer wohlbehaltenen Ankunft und ging drauf hin, um, wie er versprach, die Wirtin mit einigen Kleidern zu ihr heraufzuschicken. Das arme Frauenzimmer dankte ihm gar herzig für alle seine Güte und sagte: sie hoffe ihn bald wiederzusehen, um ihm noch tausendmal mehr Dank zu sagen. Während dieser kurzen Unterredung verhüllte sie ihren blendenden Busen, soviel sie nur immer vermochte, mit ihren Armen: denn Jones konnte es nicht vermeiden, ein- oder ein paarmal verstohlenerweise dahinzuschielen, ob er gleich alle erdenkliche Sorge trug, ihr dadurch keine Schamröte abzujagen.
    Unsre Reisenden waren zufälligerweise in einem Hause von außerordentlich guter Reputation abgetreten, worin die
irländischen
Damen von strenger Tugend und manche schottländische junge Herrn von eben dem Charakter auf ihrer Reise nach Bath ihr Absteigequartier zu nehmen pflegten. Die Frau Wirtin hätte also um keinen Preis zugeben wollen, daß unter ihrem Dache irgend ein Umgang von verdächtiger Art stattfinden möchte. In der That sind dergleichen Vorgänge so unsauber und ansteckend, daß sie auch den unschuldigen Platz verunreinigen, woselbst sie vorfallen, und jedem Hause, woselbst man solche verdächtige Vertraulichkeiten duldet, den Namen eines schlechten oder übel berüchtigten Hauses anhängen.
    Damit will ich nun eben nicht sagen, daß in einem öffentlichen Gasthofe eine ebenso strenge Keuschheit beobachtet werden könnte, als ehemals in dem Tempel der Vesta. Auf einen so großen Segen hoffte nun freilich unsre gute Frau Wirtin nicht, ebensowenig als alle die übrigen Damen ihres Standes, von denen ich bisher gesprochen habe; oder auch ebensowenig als alle übrigen von der bekanntesten Strenge dergleichen erwartet haben oder drauf bestanden sind. Aber alle niedrigen Liebschaften entfernt zu halten und alle verdächtigen Dirnen in Lumpen aus ihren vier Wänden zu treiben, das steht in der Gewalt einer jeden von ihnen. Hierauf hielt die Frau Wirtin auch steif und fest, und dies konnten auch ihre tugendhaften Kunden, welche nicht in Lumpen reisten, höchst billigerweise von ihr erwarten.
    [156] Nun aber bedurfte es eben keines bis zum tadelnswürdigen Grade getriebenen Argwohns, um zu vermuten, daß Herr Jones und seine zerlumpte Gesellschafterin auf gewisse Endzwecke ausgingen, welche zwar in einigen christlichen Ländern geduldet werden, denen man in andern durch die Finger sieht und die in keinem unterbleiben, dabei aber doch ebenso ausdrücklich verboten sind, als Mord und Totschlag oder jedes andere scheußliche Laster von der Religion verboten ist, welche in allen diesen Ländern durchgängig geglaubt wird. Die Frau Wirtin hatte daher nicht so bald einige Nachricht von dem Einzuge der obbesagten Person erhalten, als sie

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