Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
kann niemand ein Leiden richtig darstellen, welches er nicht selbst in seiner Seele fühlt, indem er's malt, und ich bin überzeugt, daß die rührendsten und effektvollsten Auftritte allemal mit Thränen in den Augen niedergeschrieben worden sind. Auf eben diese Weise verhält sich's mit dem Lächerlichen. Ich bin versichert, ich habe meinen Leser nie zum herzlichen Lachen gereizt, als bei den Stellen, wo ich vorher selbst gelacht habe, es möchte sich denn zuweilen gebühren, daß er lieber über mich, als mit mir zu lachen geneigt wäre. Vielleicht mag das wohl bei einigen Stellen in diesem Kapitel der Fall gewesen sein, und dieser Besorgnis wegen will ich hier demselben ein Ende machen.
Fußnoten
1 Der Verfasser sagt in einer Note, daß die Anführung dieses großen Schauspielers, und der beiden mit Recht so berühmten Schauspielerinnen, hier um so füglicher und treffender sei, weil sie sich alle bloß durch das Studium der Natur, und nicht durch Nachahmung ihrer Vorgänger gebildet hätten. Hierdurch wären sie dahin gelangt, alle diejenigen zu übertreffen, welche vor ihnen die Bühne betreten; und sei dieses eine Stufe des Verdienstes, zu welcher der knechtische Haufen von Nachahmern unmöglich jemals gelangen könne. – Wer, der unsre
deutsche
Schaubühne beobachtete, seitdem sie sich aus dem Chaos der Haupt- und Staatsaktionen, und der extemporierten Possenspiele loszuwinden angefangen hat (welches noch nicht viel über 30 bis 40 Jahre her ist), denkt hier nicht an unsre Eckhoff, Schröder, Brockmann, Iffland, und an unsre Starken und Henslern? Vielleicht auch noch an einige andre, die ich entweder nicht gesehen habe, oder deren
Originalität
mir nicht so ganz einleuchtend ist, wie die der Vorgenannten. Sollte, wie nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich ist, eine hübsche runde Summe von berühmten Schauspielern und Schauspielerinnen hier über meine Unwissenheit, oder gar Parteilichkeit die Nase rümpfen, so versichre ich solchen, daß ich die Stirne darüber gar nicht runzeln werde, wenn jede und jeder von ihnen ihren eigenen Namen selbst auf den Rand dieses Blattes hinzuschreiben. Nur hätte ich dann noch die billige Bitte, sie wollen das ganze Personenverzeichnis aus dem gothaischen Theaterkalender, und – dem römischen – auch mitnehmen.
D. Uebers.
Zweites Kapitel.
Enthält ein in der That sehr erstaunenswürdiges Abenteuer, welches Herr Jones bestund, als er mit dem Manne vom Berge spazieren ging.
Aurora öffnete jetzt ihre ersten Fensterladen,
Germanice,
der Tag fing an zu grauen, als Jones in Gesellschaft des Fremden seinen Spaziergang antrat und den Matzardberg hinaufstieg. Sie waren nicht so bald bis zu seiner Spitze gelangt, als sich ihren Blicken einer der vortrefflichsten Prospekte von der Welt darstellte. Wir würden solchen unsern Lesern ebenfalls darstellen, wenn uns nicht zwei Ursachen hinderten. Die erste ist: wir zweifeln dran, daß diejenigen, welche diesen Prospekt gesehen haben, unsre Beschreibung bewundern würden. Die zweite: wir zweifeln ziemlich stark, ob auch diejenigen, die ihn nicht gesehen, unsre Beschreibung verstehen möchten.
Jones stand einige Minuten in einer unbeweglichen Stellung und richtete seine Augen gen Süden, worauf ihn der alte Herr fragte, was er denn da mit so großer Aufmerksamkeit beschauete? – »Ach, mein Herr,« antwortete er mit einem Seufzer, »meine Gedanken beschäftigen sich damit, dem Wege nachzuspüren, auf welchem ich hierher gekommen bin. Lieber Himmel! in welcher weiten Entfernung Gloucester von uns liegt! Was für eine große Strecke Landes muß zwischen uns und meiner Heimat liegen!« – »Freilich, freilich, lieber junger Herr!« rief der andre. »Und Ihr Seufzen sagt mir, oder ich müßte mich sehr irren, was für eine Strecke Landes liegt zwischen uns und ihr, die mir noch näher am Herzen liegt als meine Heimat. Ich merke nun wohl, der Gegenstand Ihrer tiefen Gedanken liegt weiter hinaus als Ihr Blick trägt, und dennoch, deucht mich, thut es Ihrem Herzen wohl, in der Richtung [151] hinauszusehen.« – Jones antwortete ihm mit einem Lächeln: »Ich sehe, mein lieber Alter, Sie haben das Gefühl Ihrer Jugend noch nicht ganz vergessen. Ich gesteh' Ihnen, meine Gedanken waren dahin gerichtet, wie Sie gemutmaßt haben.«
Sie gingen nunmehr nach der Seite des Berges, wovon man gen Nordwesten sieht und welche über einen großen weiten Wald hervorragt. Kaum waren sie daselbst angelangt, als sie in einiger Entfernung eine
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