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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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seinen Fäusten zu Werke; und die gute Frau, welche ihren Besenstiel aufhob und damit nach Jones' Kopfe zielte, hätte damit wahrscheinlicherweise dem Scharmützel und Jones' Leben dazu ein Ende gemacht, wäre nicht der Fall dieses Besenstiels aufgehalten worden – nicht durch die wundervolle Dazwischenkunft einer heidnischen Gottheit, sondern durch einen [158] sehr natürlichen, obgleich glücklichen Zufall – durch Rebhuhns Ankunft nämlich, welcher eben diesen Augenblick ins Haus trat (denn die Furcht hatte ihn vom Berge im vollen Laufe hieher gejagt) und welcher, da er die Gefahr sah, die seinem Herrn oder seinem Gefährten (es steht bei Ihnen, wie Sie ihn nennen wollen) drohte, ein so gefährliches Unglück dadurch abwendete, daß er die Wirtin bei dem Arme packte, womit sie den Besenstiel in der Luft schwenkte.
    Die Frau Wirtin ward sehr bald das Hindernis gewahr, welches ihren Streich zurückhielt; da sie nicht vermögend war, ihren Arm aus Rebhuhns Händen zu befreien, so ließ sie den Besenstiel fallen, überließ dann ihren Feind Jones der Gewalt ihres Eheherrn und fiel mit der äußersten Wut über den armen Kerl her, welcher bereits seine Gegenwart dadurch angekündigt hatte, daß er schrie: »Alle tausend! will Sie meinen Freund totschlagen?«
    Rebhuhn war zwar eben nicht sonderlich auf Schlägereien erpicht, dennoch wollt' er seine Hände nicht in den Schoß legen, da sein Freund angegriffen wurde; auch war ihm der Teil des Treffens, der ihm zum Anteil fiel, nicht ganz und gar mißfällig. Er gab also der Wirtin ihre Streiche ebensobald wieder zurück, als er solche empfing; und nunmehr ging das Gefecht an allen Seiten seinen eigensinnig hitzigen Gang fort, und es schien zweifelhaft, auf welche Seite das Glück sich wenden würde, als die nackte Dame, welche oben von der Treppe dem Dialog zugehorcht hatte, welcher dem Kampfe vorherging, plötzlich herunterkam und, ohne die unbillige Ungleichheit von zwei zu einem zu Herzen zu nehmen, über die arme Frau herfiel, welche sich mit Rebhuhn fäustigte; ebensowenig ließ auch dieser große Faustkämpfer ab, sondern verdoppelte vielmehr seine Wut, als er fand, daß ein frischer Sukkurs zu seinem Beistand angelangt sei.
    Nunmehr hätte der Sieg auf die Seite der Reisenden fallen müssen (denn am Ende müssen die tapfersten Truppen der überwiegenden Anzahl unterliegen), wäre nicht Susanne, das Stubenmädchen, glücklicherweise ihrer Gebieterin zum Beistand herbeigekommen. Diese Susanne war (nach der gemeinen Redensart) eine so zweifäustige Dirne, als es nur eine im Lande geben konnte, und würde, wie ich glaube, die berühmte Thalestris selbst, oder die beste von ihren untergebenen Amazonen ausgeprügelt haben; denn ihr Bau war kraftvoll, völlig mannhaft und auf alle Fälle für solche Scharmützel gemacht. So wie ihre Hände und Arme ausdrücklich dazu gebildet schienen, einem Feinde sehr gefährliche Streiche zu versetzen, so war auch ihr Antlitz völlig drauf eingerichtet, ohne sonderlichen Nachteil Streiche und Stöße zu empfangen. Ihre Nase lag ihr bereits ganz platt im Gesicht, ihre Lippen waren [159] so breit, daß man es eben nicht merken konnte, wofern sie etwa geschwellen möchten; und überdem waren sie so derb und hart, daß schwerlich eine Faust darauf einen Eindruck machen konnte. Endlich noch ragten ihre Augenknochen dergestalt hervor, als ob die Natur solche als zwei Bollwerke dahingelegt hätte, um ihre Augen in dergleichen Fausthändeln zu verteidigen, für welche sie sowohl geschaffen zu sein schien und wozu sie so gar herzlich aufgelegt war.
    Als dieses edle Geschöpf das Schlachtfeld bezog, schloß sie sich augenblicklich an den Flügel, auf welchem ihre hohe Gebieterin ein so ungleiches Gefecht mit zwei Personen von verschiedenem Geschlecht unterhielt. Hier forderte sie alsobald Rebhuhn zum persönlichen Zweikampf auf. Er nahm die Herausforderung an und nunmehr begann zwischen beiden der allerhartnäckigste Kampf.
    Jetzt waren die Hunde des Kriegs losgelassen und begannen ihre blutigen Schnauzen zu lecken. Jetzt schwebte die Göttin des Siegs mit goldnen Flügeln über ihnen in der Luft. Jetzt nahm die Göttin des Glücks ihre Wagschalen aus ihrem Behältnis hervor und wog, und wog das Schicksal des Thomas Jones, seiner weiblichen Gefährtin, und Rebhuhns gegen das Schicksal des Wirts, seiner Ehegenossin, und ihrer Magd ab. Die Schalen hingen da vor ihr in genau gleicher Schwebung, als ein heilbringender Zufall dem blutigen Treffen

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