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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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Aber ich will meine Zeit durch kein Gespräch mit Euch verschwenden, jetzt verlangt die öffentliche Gerechtigkeit von dem Herrn Genugthuung, und sie soll sie haben.« Darauf wandte er sich gegen das Frauenzimmer und fragte, ob ihre Wohnung in der Nähe wäre? Oder wenn das nicht, ob sie hier in der Nachbarschaft Bekannte habe, um sich mit anständiger Kleidung zu versehen, damit sie nach dem nächsten Friedensrichter gehen könnten?
    [153] Sie antwortete, sie wär' in dieser Gegend des Landes völlig fremd. Nachdem sich Jones ein wenig besonnen hatte, sagte er, er habe hier einen Freund in der Nähe, der ihm die nötige Anweisung geben würde, und in der That wunderte er sich, daß dieser ihm nicht nachgefolgt sei. Allein der gute Mann vom Berge hatte sich, als unser Held von ihm gegangen, oben am Rande niedergesetzt, woselbst er, obgleich er eine Flinte in der Hand hatte, die Sache ganz ruhig und gelassen abwartete.
    Jones, der zum Walde hinauseilte, sah den alten Mann in der Stellung sitzen, wie wir eben beschrieben haben. Er bot also alle seine Behendigkeit auf und erstieg mit unglaublicher Schnelligkeit die steile Höhe des Berges.
    Der alte Mann riet ihm, das Frauenzimmer nach Upton zu führen, welches, wie er sagte, die nächste Stadt sei und woselbst er alles würde bekommen können, dessen sie benötigt wären.
    Nachdem Jones sich den Weg nach dem Orte hatte zeigen lassen, nahm er von dem Manne vom Berge Abschied, bat ihn, er möchte ihm Rebhuhn gen Upton nachsenden, und kehrte eilig wieder nach dem Walde zu.
    Unser Held hatte bei seinem Weggehen, um sich bei seinem Freunde Rats zu erholen, wohl bedacht, daß der Meuchelmörder mit auf den Rücken gebundenen Händen nicht im stande sei, dem Frauenzimmer irgend ein Leids zuzufügen. Ueberdem wußte er auch, daß sie ihn immer abrufen und er früh genug zurückkehren könnte, um allem Unheil vorzubeugen. Dabei hatte er noch dem Buben beteuert, wofern er die geringste Bosheit versuchen würde, wollte er ihn auf der Stelle die bitterste Rache dafür empfinden lassen. Zum Unglück vergaß aber Jones, daß, ob Northerton gleich die Hände auf den Rücken gebunden, er doch seine Füße völlig frei hätte, auch legte er dem Gefangenen nicht das geringste Verbot auf, von diesen einen selbstbeliebigen Gebrauch zu machen. Da sich also Northerton in diesem Punkte zu nichts anheischig gemacht hatte, so meinte er, er könne ohne den geringsten Bruch seines Ehrenworts davongehen, weil er in seinen Gedanken nach keinem Gesetze verbunden sei, auf eine feierliche Lossprechung zu warten. Er bediente sich also seiner freien Füße und wandelte durch den Wald davon, welcher seinen Rückzug begünstigte. Auch dachte das Frauenzimmer, dessen Augen weit mehr nach ihrem Befreier gerichtet waren, nicht einmal an seine Flucht oder auf die geringste Sorge und Mühe ihn daran zu verhindern.
    Als demnach Jones zurückkam, fand er das Frauenzimmer allein. Er wollte sich die Zeit nehmen, den Northerton wieder aufzusuchen, sie wollte es ihm aber nicht erlauben, sondern bat ihn sehr dringend, er möchte sie nach der Stadt begleiten, die ihm angewiesen [154] worden. – »Was die Flucht des Kerls anbetrifft,« sagte sie, »so macht mir solche gar keinen Kummer, denn beides, Philosophie und Christentum, lehren uns empfangene Beleidigungen zu verzeihen. Was mir aber leid thut, mein Herr, ist, daß ich Ihnen so viele Mühe verursache, und meine Blöße macht, daß ich mich wirklich schämen muß, Ihnen unter die Augen zu sehen, und wenn ich Ihres Schutzes nicht so sehr benötigt wäre, möcht' ich wohl wünschen allein zu gehen.«
    Jones bot ihr seinen Ueberrock an, sie aber, ich weiß nicht aus welcher Ursache, weigerte sich gegen sein ernstliches Bitten solchen anzunehmen. Er bat sie also, beide Ursachen ihrer Verwirrung zu vergessen. »Was die erste betrifft, so hab' ich weiter nichts gethan, als was meine Pflicht ist, da ich zu Ihrem Schutz herbeieilte, und die zweite will ich dadurch völlig heben, daß ich den ganzen Weg hindurch vor Ihnen hergehe, denn ich will nicht, daß meine Augen Ihnen wehe thun sollen, und ich möchte nicht Bürge sein können, daß ich Kraft genug hätte, den anziehenden Reizen so vieler Schönheit zu widerstehen.«
    Also wandelte unser Held und die erlöste Dame auf eben die Weise als ehedem Orpheus und Eurydice miteinander gingen. Allein obgleich ich nicht glauben kann, daß Jones von seiner schönen Gefährtin mit Fleiß gereizt worden hinter sich zu sehen, so

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