Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
als die Frau Wirtin sie sehr scharf auf die Hechel nahm. Die arme Frau hatte schon lange ihrem Herzen manches unsaubre Schimpfwort aufgeladen, und nun flossen solche aus ihrem Munde wie der Gassenkot von einem Dreckkarren, wenn der Schieber, der ihn aufhielt, weggezogen wird. Rebhuhn schaufelte gleicherweise sein Häufchen Verleumdung mit auf, und (was vielleicht den Leser verwundern mag) beklexte nicht nur die Zofe, sondern bestrebte sich auch selbst den lilienweißen Charakter des Fräuleins Sophie zu beschmutzen. »Wie die Zucht, so die Frucht,« sagte er: »
noscitur a socio,
ist eine sehr wahre Sage. Wohl wahr, man kann's nicht leugnen, die Dame in der verbrämten Schabracke ist bei weitem die höflichste von beiden. Aber das ist doch auch wahr, daß sie am Ende beide aus einer Lauge gewaschen sind. Ein paar Badenymphen sind's, darauf setz' ich meinen Kopf zum Pfande. Denn adliche Personen reiten bei so später Nachtzeit wohl nicht ohne Bedienten auf der Heerstraße herum!« – »Dem ewigen Juden will ich Herberge geben, Herr, wenn Sie nicht recht haben,« rief die Wirtin; »Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen. Denn hohe adliche Personen kommen in keinen Gasthof ohne eine Abendmahlzeit zu bestellen, sie mögen sie nun essen können oder nicht.« Als sie sich noch dergestalt unterredeten, kam Jungfer Honoria wieder zurück und entledigte sich dadurch ihres Auftrags, daß sie der Wirtin gebot, sie solle Herrn Jones ungesäumt aufwecken und ihm sagen, es wäre eine Dame da, die ihn zu sprechen verlange. Die Wirtin verwies sie an Rebhuhn mit dem Bedeuten, er wäre des Junkers Freund, denn sie für ihr Teil rufe niemals Mannspersonen aus dem Bette, besonders solche junge Herren, und damit watschelte sie ganz mürrisch zur Küche hinaus. Honoria wendete sich an Rebhuhn. Er aber schlug's ab: »Denn,« sagte er, »mein Freund ist sehr spät zu Bett gegangen und er würd' es sehr übel nehmen, wenn man ihn so früh im Schlafe störte.« Jungfer Honoria bestand darauf, er müsse ihn wecken und sagte: »Sie wüßte ganz gewiß, anstatt es übel zu nehmen würd's ihm vielmehr die größte Freude machen, wenn er erführe, wer ihn rufen ließ.« – »Auf ein andermal möchte das wohl sein,« rief Rebhuhn, »aber
non omnia possumus omnes.
Ein Frauenzimmer ist auf einmal genug für einen vernünftigen Mann.« – »Was will Er mit seinem einen Frauenzimmer auf einmal sagen, Kerl?« schrie Honoria. – »Bleib' Sie mir mit Ihrem Kerl vom Leibe!« antwortete Rebhuhn. Und darauf sagte er ihr mit dürren Worten, Jones wäre mit einer [199] Person vom weiblichen Geschlecht zu Bett gegangen und bediente sich dabei eines Ausdrucks, der zu unsittlich war, um ihn hier herzusetzen und worüber Jungfer Honoria dermaßen wütig wurde, daß sie ihn einen faulzüngigen Hanswurst nannte und über Hals und Kopf wieder zu ihrem Fräulein rannte, welchem sie den Ausgang ihrer Botschaft überbrachte und was für Nachrichten sie gelegentlich eingezogen hätte, die sie denn womöglich noch übertrieb, indem sie auf Herrn Jones ebenso zornig war, als ob er alle die Worte selbst gesagt hätte, die aus Rebhuhns Mund gegangen waren. Sie schüttete einen Strom von Schimpfworten über den Herrn aus und riet ihrem Fräulein, alle Gedanken auf einen Mann fahren zu lassen, der sich noch niemals als ihrer würdig bezeigt habe. Sie zog darauf die Geschichte mit Molly Seegrim aufs neue hervor und machte darüber, daß er vorher Sophien selbst entsagt, die allerboshafteste Auslegung, welcher, ich muß es gestehn, der jetzige Vorfall keinen geringen Grad von Wahrscheinlichkeit gab.
Sophiens Lebensgeister waren zu sehr von Betrübnis niedergeschlagen, um im stande zu sein, den Strom ihrer Zofe zu dämmen. Zuletzt fiel sie ihr gleichwohl in die Rede und sagte: »Ich kann dies unmöglich glauben! Irgend ein Bösewicht hat Sie belogen. Sie sagt, Sie hab' es von seinem Freunde. Es wäre aber gewiß kein Freundschaftsdienst, dergleichen Geheimnisse zu verraten.« – »Ich glaube, mein'r Ehre,« sagte Honoria, »der Kerl ist sein Zubringer, denn mein Lebstag habe ich kein so'n Eulengesicht von Lumpen gesehn, als den Buben, und denn so sind auch solche liederliche Hurenjäger als der Herr Jones mit so was eben nicht heimlich, denn sie schämen sich nicht und grämen sich nicht.«
Die Wahrheit zu bekennen, war dies Betragen des Rebhuhns nicht so platterdings zu entschuldigen, aber er hatte die Wirkung der Malzkraft, welche er vorigen Abend zu sich genommen
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