Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
erstunken und erlogen, daß Ihr Gnaden in den jungen Junker ganz sterbensverliebt wären; und daß er deswegen in den Krieg zöge, um von Ihr Gnaden nur abzukommen. Ich dachte gleich in meinem Herzen, so für mich selbst, 's wäre doch e'n recht falschherziger Mannskerl; aber nun mit meinen Augen zu sehn, eine so liebe, scharmante, schöne, junge Fröln, als Ihr Gnaden sind, die um eines solchen gemeinen Weibsen wegen sitzen bleiben soll, fürwahr! denn 's ist obendrein noch eines andern Ehemanns Frau – das kann ich mit meinem Verstande nicht klein kriegen, so wunderlich ist das.«
Sophie gab ihr noch eine dritte Guinee dazu; und nachdem sie ihr gesagt hatte, sie wolle gewiß ihre Freundin sein, wenn sie von dem, was vorgefallen, keinem Menschen ein Wort und auch nicht sagte, wer sie wäre: entließ sie die Dirne mit dem Befehle, dem Postillon zu sagen, er solle den Augenblick die Pferde satteln und vorführen.
Nachdem sie jetzt mit ihrer Jungfer alleingeblieben war, sagte sie ihrer getreuen Aufwärterin, ihr wäre niemals leichter ums Herz gewesen, als eben jetzt. »Ich bin nun überzeugt«, sagte sie, »er ist nicht nur ein falscher Mensch, sondern auch verächtlich und niederträchtig. Ich kann ihm eher alles verzeihn, als daß er meinen Namen so barbarischerweise aufs Spiel setzt. Dadurch hat er meine ganze Verachtung verdient. Ja, Nore! mir ist jetzt ganz leicht ums Herz, wirklich recht leicht, recht leicht!« Und damit stürzte ihr eine heftige Thränenflut aus den Augen.
Nach einer kurzen Zwischenzeit, welche Sophie hauptsächlich damit hinbrachte, daß sie weinte und ihre Kammerjungfer versicherte, ihr Herz sei vollkommen ruhig, brachte Susanne die Nachricht, daß die Pferde vorgeführt wären, als unsrer jungen Heldin ein sehr sonderbarer Einfall in den Sinn kam, wodurch Herr Jones erfahren würde, daß sie in demselben Gasthofe gewesen, und zwar auf eine [202] Art erfahren würde, daß, wenn er nur noch einen Funken von Zuneigung für sie im Herzen hätte, es ihn wenigstens einigermaßen für sein Vergehn bestrafen würde.
Der Leser wird die Güte haben, sich eines kleinen Muffs zu erinnern, welchem die Ehre widerfahren ist, schon mehr als einmal in dieser Geschichte erwähnt zu werden. Dieser Muff war seit Herrn Jones' Abreise Sophiens beständiger Gefährte bei Tage und ihr Schlafgeselle bei Nacht gewesen; und diesen Muff trug sie eben diesen Augenblick am Arme. Sie nahm ihn mit großem Unwillen herab, schrieb mit ihrem Bleistift ihren Namen auf ein Stückchen Papier, steckte solches mit einer Nadel an den Muff und bestach das Mädchen, beides in Herrn Jones leeres Bett zu legen; und wofern er's nicht darin finden sollte, ließ sie sich von ihr versprechen, den Muff des Morgens, auf eine oder die andere Art, ihm vor die Augen zu bringen.
Als sie darauf für das bezahlt hatte, was Jungfer Honoria verzehrt, nebst der übrigen Rechnung des Postillons, mit einbegrissen, was sie selbst hätte verzehren können, stieg sie zu Pferde, und setzte in der abermaligen Versicherung gegen ihre Gefährtin, wie es ihr ganz leicht ums Herz sei, ihre Reise weiter fort.
Sechstes Kapitel.
Enthält unter andern Dingen Rebhuhns Treuherzigkeit, Jones' Tollheit und Fitz Patricks Narrheit.
Es war nun morgens nach fünf Uhr, und es erhob sich schon die andere Gesellschaft aus dem Bette und kam in die Küche, unter der sich auch der Feldwebel und der Kutscher befanden, welche, als völlig wieder ausgesöhnte Freunde, eine Libation anstellten; oder, unverblümter zu sprechen, einen tüchtigen Vernüchterungstrunk miteinander thaten.
Bei diesem Vernüchtern fiel nichts Merkwürdigeres vor, als Rebhuhns Aufführung bei der Gesundheit, welche der Feldwebel ausbrachte. Denn anstatt zu wiederholen: Vivat der König Georg! sagte er nur bloß: Vivat der König! und konnte man ihn auch nicht dahin bringen, ein mehreres zu sagen. Denn, ob er gleich auf dem Wege war, gegen seine eigne Sache zu fechten, so konnte man ihn doch nicht dahin bringen, dagegen zu trinken.
Herr Jones, der jetzt wieder nach seinem eignen Bette zurückgekehrt war (man wird uns aber entschuldigen, wenn wir nicht gerne sagen, aus welchem er herkam), rief Rebhuhn aus dieser angenehmen Gesellschaft zu sich auf sein Zimmer, woselbst dieser, nachdem [203] er mit einer zierlichen Vorrede Erlaubnis erbeten und erhalten hatte, seinen Rat zu erteilen, sich folgendermaßen vernehmen ließ:
»Mein lieber Herr, es ist ein altes, aber auch ein wahres Sprichwort: Des
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