Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
ganzen Betrug als Zeuge mit ansehen müssen; die gute Frau sah sich sonach genötigt zu gestehen, daß sie kein abgethanes Küchlein im Hause hätte. »Aber, Madame,« sagte sie, »ich kann in einem Augenblick Hammelfleisch vom Metzger haben, was für ein Stück Sie nur befehlen.«
»Meint Sie denn,« antwortete die Nachtritts-Dame, »daß ich einen Pferdemagen habe, um in dieser späten Nachtzeit Hammelfleisch genießen zu können? Auf meine teure Ehre! Ihr Gastwirtsleute schert alle andre bessere Menschen über euren eignen Kamm. Hab' ich's doch wohl gedacht, daß ich an einem so elenden Orte nichts erwarten dürfte! Ich wundre mich, daß mein gnädigs Frölen hier absteigen konnte. Denn hier kann doch wohl kein honetter Mensch logieren, als Handwerksleute und Roßtäuscher.« Der Frau Wirtin juckte die Zunge bei dieser Beschimpfung, die man ihrem Hause anhängte, unterdessen that sie sich Gewalt an und begnügte sich damit, zu sagen: »es kämen wohl Personen von sehr hohem Adel [195] und logierten in ihrem Hause, daß sie es Gott zu danken hätte!« – »O geh' Sie mir mit Ihrem hohen Adel,« schrie die andre. »Ich sollte denken, ich kennte ein bißchen mehr Personen vom hohen Adel, als Sie und Ihresgleichen. Aber wenn ich bitten darf, wozu soll ich alles das Geträtsche anhören? Ich möchte viel lieber wissen, was ich zum Souper haben kann, denn ob ich gleich kein Pferdefleisch genießen kann, so hab' ich doch wirklich viel Appetit.« – »Nun ja doch wirklich, Madame,« antwortete die Wirtin, »Sie hätten mir zu keiner leidigern Stunde kommen können, denn ich muß es nur gerade heraus gestehen, ich habe nichts weiter vorrätig im Hause als ein Stück kaltes Rindfleisch. Doch daran haben der Bediente des Herrn da oben und der Postknecht schon bis an die Knochen genagt.« – »Frau!« sagte Jungfer Abigail (denn so wollen wir sie der Kürze halber nennen), »mach' Sie nicht, daß m'r übel wird. Und wenn ich vier Wochen gefastet hätte, so könnt 'ch doch von so was nicht speisen, was solche Kerl mit ihren Mistfäusten bekrabbelt haben. Ist denn nichts Reinlichs und Propres an diesem abscheul'chen Orte zu haben?« – »Was sagen Madame zu ein paar Eier auf Schinken geschlagen?« sagte die Wirtin. – »Sind Ihre Eier frisch gelegt? Ist's auch recht gewiß, daß sie nur tagalt sind? Und dann muß der Schinken ja recht delikat und dünn, dünn geschnitten werden, denn ich kann nichts ausstehn, was dick ist und grob – Nu! sei Sie so gut, greif' Sie sich e'nmal an und seh' Sie zu, gute Frau, ob Sie was Erträgliches zu Gange bringen kann. Und thu' Sie nicht so, als ob sie eine Pachtersfrau vor sich hätte, oder so 'ne Kreatur aus'n Hause.« Die Wirtin fing an, mit ihrem Messer zum Werke zu schreiten, aber die andre that ihr Einhalt, indem sie sagte: »Bei Leib und Leben, geh' Sie doch erst hin und wasche Sie sich die Hände, denn Sie muß wissen, ich bin gar unmenschlich reinlich und bin von meiner Wiege an gewohnt, alles aufs properste zu haben.«
Die Wirtin, der es herzlich sauer wurde ihre Zunge im Zaum zu halten, schritt nunmehr zu den nötigen Vorbereitungen, denn was Susannen betrifft, so war die platterdings davon abgewiesen, und zwar mit so verächtlichen Worten, daß es der armen Dirne ebenso sauer einging ihre Hände von Thätlichkeiten abzuhalten, als es der Wirtin schon längst schwer geworden war, ihre Zunge zu halten. Dies that indessen Susanne nicht so ganz und gar, denn ob sie solche gleich buchstäblich hinter den Zähnen hielt, so murmelte solche doch manches: »Daß dich!« »Dächt ich doch, was mich biß!« »Möcht' mein Fleisch mit deinem nicht tauschen!« und mehr solche Stoßworte des verbißnen Aergers.
Unterdessen die Mahlzeit zubereitet wurde, hob Jungfer Abigail [196] an zu beklagen, daß sie nicht befohlen, Feuer in der großen Gaststube anlegen zu lassen, aber sie meinte, dazu wär's nun zu spät: »Je nu!« sagte sie, »so kann ich doch erzählen, wie's einem zu Mut ist, wenn man in der Küche speist, denn ich wüßte mein Lebstage nicht, daß ich in 'r Küche gegessen hätte.« Darauf wendete sie sich gegen die beiden Postillons und fragte sie, warum sie nicht hingingen nach dem Stalle zu ihren Pferden? – »Wenn ich meine Kummersmahlzeit hier essen soll, Madame,« sagte sie zu der Wirtin, »so möcht' ich doch wohl bitten, daß die Küche gesäubert wird und daß ich nicht mitten unter allen Fink und Stink sitzen müßte. Nun! Sie, Herr,« sagte sie zu Rebhuhn, »Sie
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