Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
er meiner Fike Muff? Soll'n Zeugen sein, der Diebstahl ist bei'm gefunden! Vor'n Richter will ich mit'n stracks uf der Stelle, wo ist meine Tochter? Bube!« – »Herr,« sagte Jones, »ich bitte, beruhigen Sie sich doch! Des Fräuleins, Ihrer Tochter Muff ist's, das gesteh' ich; aber sie hab' ich mit keinem Auge gesehn, das versichr' ich Sie auf meine Ehre.« Bei diesen Worten verlor Herr Western vollends alle Geduld, so daß er kein verständliches Wort mehr hervorbringen konnte.
Einige von den Bedienten hatten Herrn Fitz Patrick benachrichtigt, wer Herr Western wäre. Der gute Irländer also meinte, er habe hier eine gute Gelegenheit, seinem Onkel einen angenehmen Dienst zu leisten und sich vielleicht dadurch bei ihm in Gunst zu setzen. In dieser Absicht ging er auf Herrn Jones zu und rief aus: »Bei meiner armen Seele! Herr! Sie sollten sich ins Herz hinein schämen, daß Sie mir ins Angesicht leugnen wollen, des Herrn seine Tochter gesehn zu haben, da Sie doch wissen, daß ich Sie mit ihr zusammen im Bett gefunden habe.« Hierauf wendete er sich an Western und bot ihm an, ihn geradeswegs zu dem Zimmer zu führen, wo seine Tochter sei; nachdem dieses Anerbieten angenommen worden, gingen er, der Junker, der Pfarrer und einige andere ungesäumt hinauf nach Madame Waters Kammer, in welche sie mit nicht geringerer Gewalt einbrachen, als vorher vom Herrn Fitz Patrick geschehen war.
Die arme Frau fuhr mit ebensoviel Erstaunen als großem Schrecken aus dem Schlaf auf, und sah vor ihrem Bette eine Figur stehn, von der man mit allem Fug glauben konnte, sie sei aus einem Irrenhause entlaufen. Solche Wildheit und Verwirrung herrschte in Herrn Westerns Blicken, der nicht so bald das Frauenzimmer betrachtete, als er zurückprallte, und durch seine Gebärden schon, noch eh' er den Mund aufthat, hinlänglich zu erkennen gab, daß dies nicht die Person sei, welche er suchte.
Mit so viel größerer Zärtlichkeit sind die Damen für ihren guten Namen, als selbst für ihre Person besorgt, daß, obgleich hier die letzte in größerer Gefahr zu schweben schien als vorher, doch, da der erste sicher war, Madame Waters nicht so heftig schrie, als sie es bei der vorigen Gelegenheit für nötig befunden hatte. Unterdessen befand sie sich nicht so bald wieder allein, als sie alle Gedanken auf fernern Schlaf fahren ließ, und weil sie Ursachen genug hatte, mit ihrem gegenwärtigen Logis unzufrieden zu sein, so stand [209] sie auf und kleidete sich an so eilig als möglich. Junker Western schritt nun dazu, das ganze Haus zu durchsuchen, aber mit ebenso schlechtem Erfolg, als er die arme Madame Waters beunruhigt hatte. Er kehrte also ganz trostlos wieder zurück nach der Küche, woselbst er Herrn Jones noch im Gewahrsam seiner Bedienten vorfand.
Dies heftige Gelärm und Getümmel hatte alle Leute im Hause, obgleich noch kaum der Tag angebrochen war, auf die Beine gebracht. Unter diesen befand sich ein Herr von sehr ernsthaftem Ansehen, welcher die Ehre hatte, in der Grafschaft Worcester eine obrigkeitliche Gerichtsperson vorzustellen. Herr Western hatte von diesem Umstande kaum Nachricht bekommen, als er ohne weiteres seine Klage bei ihm vorbringen wollte. Der Richter lehnte es von sich ab, sein Amt zu verrichten, weil, wie er sagte, er weder einen Aktuarium noch ein gerichtliches Protokoll oder Gesetzbücher bei sich führte und er unmöglich alle Gesetze in Ansehung der Töchterdiebereien und dergleichen Sachen im Kopf und Gedächtnis haben könnte.
Hier erbot sich Herr Fitz Patrick, ihm seinen Beistand zu leihen, indem er der Gesellschaft berichtete, er habe die Rechte studiert. Und in der That hatte er einige Jahre in der nordischen Gegend von Irland bei einem Prokurator als Schreiber gedient, als er, um eine ansehnlichere Bahn des Lebens zu betreten, seinen Prinzipal verließ, nach England hinüberging und da die Geschäfte anfing, die keine Lehrjahre erfordern, nämlich die Geschäfte eines junkerierenden Müßiggängers, in welchen er's denn auch so weit gebracht hatte, wie wir zum Teil schon erzählt haben.
Herr Fitz Patrick behauptete, es käme im gegenwärtigen Falle gar nicht auf das Gesetz gegen die Entführung der Töchter an; der Diebstahl eines Muffs sei ohne allen Zweifel kapital, und diesen Diebstahl zu beweisen, sei es hinlänglich, daß man das gestohlene Gut beim Diebe gefunden habe.
Die Magistratsperson ließ sich am Ende durch den Zuspruch eines so gelehrten Rechtsgehilfen und durch das heftige Anhalten des
Weitere Kostenlose Bücher