Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
haben würden, wenn ich's gelitten hätte.« – »Wo sind sie?« schrie Jones und sprang dabei aus dem Bette und griff nach seinen Kleidern. »Schon viele Meilen weit von hier, wie ich glaube,« sagte Rebhuhn. Und nun ward Jones bei fernerm Nachfragen hinlänglich versichert, daß diejenige, welche den Muff am Arme getragen, niemand anders gewesen sei, als die liebenswürdige Sophie in eigner Person.
Das Betragen des Herrn Jones bei dieser Gelegenheit, seine Gedanken, seine Blicke, seine Worte, seine Gebärden waren so beschaffen, daß eine jede Beschreibung davon zur Stümperei werden würde. Nachdem er dem Rebhuhn wohl tausendmal und sich selbst nicht viel weniger die bittersten Flüche angewünscht hatte, befahl er dem armen Menschen, welcher vor Furcht fast von Sinnen gekommen [205] war, hin unter zu laufen und Pferde zu mieten, sie möchten auch kosten was sie wollten. Die wenigen Minuten nachher, als er seine Kleider übergeworfen hatte, eilte er selbst die Stiegen hinab, um in eigner Person die Befehle auszurichten, die er eben gegeben hatte.
Ehe wir aber erzählen, was bei seiner Ankunft in der Küche vorging, wird es nötig sein, erst vorher das beizubringen, was sich darin zutrug, seitdem Rebhuhn von seinem Herrn daraus abgerufen ward.
Der Unteroffizier war eben mit seinem Kommando abmarschiert, als die beiden irländischen Herrn aufstanden und herunterkamen, beide klagend, daß sie die Nacht über durch das ewige Getümmel im Gasthof so oft geweckt worden, daß sie nicht im stande gewesen wären, die ganze Nacht durch ein einzigmal ein Auge zuzuthun.
Die Kutsche, mit welcher die junge Dame und ihre Kammerjungfer angekommen waren und welche der Leser vielleicht für ihre eigne gehalten hat, war in der That eine zurückkehrende Mietkutsche, die Herrn King zu Bath zugehörte, einem der ehrlichsten, würdigsten Männer, die jemals Pferd' und Fuhrwerk vermietet haben und dessen Kutschen und Chaisen wir unsern Lesern, die jemals des Weges reisen, aufs beste anempfehlen wollen. Auf diese Art können sie vielleicht das Vergnügen haben, in eben der Kutsche und von eben dem Kutscher gefahren zu werden, wel che wir in dieser Geschichte verewigt haben.
Der Kutscher, welcher nur zwei Passagiere hatte und hörte, daß Herr von Macklachlan nach Bath gehen wollte, erbot sich, ihn um einen sehr mäßigen Preis mitzunehmen. Er that dies Anerbieten auf die Nachricht des Stallknechts, welcher sagte, daß das Pferd, welches Herr von Macklachlan zu Worcester gemietet, viel besser dran sein würde, wenn es zu seinen Freunden dahin zurückkehrte, als wenn es noch eine längre Reise thun müßte, weil besagtes Pferd eher für ein zwei- als vierfüßiges Tier zu achten wäre.
Herr von Macklachlan ging ohne weiteres des Kutschers Vorschlag ein und beredete ihn zu gleicher Zeit, seinen Freund Fitz Patrick den vierten Platz in der Kutsche einnehmen zu lassen. Seinen gestauchten Gliedmaßen war das Fahren zuträglicher als das Reiten, und da er sich für versichert hielt, daß er seine flüchtige Frau zu Bath antreffen würde, so dachte er, ein kleiner Aufschub würde von keinen Folgen sein. Herr von Macklachlan, welcher bei weitem von beiden den verschlagensten Kopf hatte, hörte nicht so bald, daß diese Dame von Chester gekommen wäre und dabei noch die übrigen Umstände, welche er von dem Stallknecht vernahm, als er auf den Gedanken geriet, es könnte wohl gar die Gemahlin seines Freundes sein, und diese Vermutung teilte er unverzüglich Herrn Fitz Patrick [206] mit, dem ein solcher Gedanke auf hundert Meilen weit nicht eingefallen wäre. Die Wahrheit zu bekennen, war er eins von jenen Gemächten, welche die Natur in großer Hast und Eile zusammenbäckt und darüber vergißt, in ihre Köpfe ein wenig Gehirn zu kneten.
Nun geht es dieser Gattung von Leuten, wie den schlechten Schweißhunden, welche von selbst niemals eine Fährte aufnehmen; kaum aber, daß ein genossen gemachter kluger Spürer einen Laut gibt, als sie wie ein Blitz auch anschlagen und, ohne im geringsten nur zu näseln, spornstreichs in vollem Trabe grade vor sich weglaufen. Auf eben die Weise faßte Herr Fitz Patrick den Augenblick, als Herr Macklachlan seine Vermutung vorbrachte, den Gedanken auf und flog geradeswegs die Stiegen hinan, um seine Frau zu überraschen, ehe er noch wußte, wo sie wäre, und zum Unglück (denn das Glück mag gar gern solche Herren necken, die sich ohne Vorbehalt unter seine Vormundschaft begeben) rannte er mit dem Kopfe gegen
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