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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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folgte man ihnen nach, und da die hintersten Pferde ein wenig schneller waren als die vordersten, so wurden diese endlich eingeholt; ein glücklicher Umstand für die arme Sophie, deren Angst nebst der heftigen Bewegung des Reitens fast alle ihre Kräfte erschöpft hatte; sie fühlte aber jetzt eine unmittelbare Erleichterung, als sie eine weibliche Stimme hörte, welche sie auf die sanfteste und höflichste Weise grüßte. Diese Begrüßung erwiderte Sophie, sobald sie wieder zu Atem kommen konnte, mit gleicher Höflichkeit und mit innigster Zufriedenheit zugleich.
    Die Reisenden, welche sich zu Sophie gesellten und welche ihr so viel Schrecken eingejagt hatten, bestanden, wie ihre eigne Gesellschaft, aus zwei Personen weiblichen Geschlechts und einem Vorreiter oder Wegweiser. Beide Reisegesellschaften ritten eine volle Stunde zusammen fort, ohne daß eine von ihnen wieder den Mund öffnete. Als unsre Heldin, welche ihre Furcht so ziemlich überwunden hatte [229] und sich nur noch nicht gut erklären konnte, warum die andre ihr beständig zur Seite bliebe, da sie doch auf keiner großen Heerstraße ritt und schon einigemal krumme Landwege genommen hatte, endlich die fremde Dame aufs verbindlichste anredete und sagte: »Es mache ihr ein außerordentliches Vergnügen, zu finden, daß sie beide eines und desselben Weges reisten.« Die andre, welche wie ein Gespenst nur darauf wartete, daß man sie anreden möchte, war mit der Antwort bereit: »Das Vergnügen wär' ganz auf ihrer Seite, sie wäre in dieser Gegend ganz fremd und habe sich so herzlich gefreut, eine Reisegefährtin von ihrem eignen Geschlechte anzutreffen, daß sie sich vielleicht einer Unhöflichkeit schuldig gemacht habe, für welche sie unendlichemal um Verzeihung zu bitten hätte, daß sie mit ihr einerlei Schritt gehalten und sich ihr zur Gesellschaft aufgedrungen habe.« Es fielen noch mehr Höflichkeitsbezeigungen unter den beiden Damen vor, denn Jungfer Honoria hatte dem reichen Kleide der Fremden den Rang abgetreten und hatte sich ins hinterste Glied begeben. Allein obgleich Sophie neugierig genug war, zu erfahren, warum die andre Dame immer eben die Nebenwege mit ihr ritte, ja ob sie darüber gleich in Verlegenheit war, so hielt sie doch die Furcht oder die Bescheidenheit oder andre Bedenklichkeiten zurück, sie darüber zu befragen.
    Um diese Zeit geriet die fremde Dame in eine Verlegenheit, welcher zu erwähnen es fast unter der Würde der Geschichte zu sein scheinen mag. Auf einer Meile war ihr nicht weniger als fünfmal ihr Kasket vom Kopfe geweht worden, und sie konnte zu keinem Bande oder Taschentuch gelangen, um es unter dem Kinne zu befestigen. Als Sophie dies erfuhr, gab sie ihr zu diesem Ende alsobald ihr Taschentuch. Da sie solches aus ihrer Tasche hervorzog, vernachlässigte sie vielleicht den Zügel ihres Pferdes zu viel, denn das Tier that unglücklicherweise einen falschen Tritt, stolperte mit den Vorderfüßen und warf seine Reiterin aus dem Sattel.
    Obgleich Sophie über Hals und Kopf herunterstürzte, nahm sie doch zum Glück nicht den allergeringsten Schaden, und dieselben Umstände, welche vielleicht zu ihrem Falle beigetragen hatten, ersparten ihr auch jetzt eine große Verwirrung, denn der Anger, über welchen sie eben ritten, lag in einem engen Thale und war stark mit Bäumen bewachsen, so daß der Mond nur wenig hindurchschimmern konnte, der noch dazu eben hinter einer so dicken Wolke verhüllt stand, daß es so gut als völlig finster war. Auf diese Weise ward die Schamhaftigkeit des Fräuleins, welche äußerst zart war, ebensowenig beschädigt als ihre Gliedmaßen, und sie ward wieder auf ihren Sattel gesetzt, ohne etwas Weiteres gelitten zu haben, als vielleicht einen kleinen Schreck beim Fallen.
    [230] Endlich fing das Tageslicht an in seinem vollen Glanze hervorzubrechen, und die beiden Damen, welche Seite an Seite über ein Feld ritten, sahen sich einander einige Zeit starr an, und beider Augen hefteten sich zugleich aufeinander, beider Pferde standen still, beide Damen redeten zugleich und riefen mit gleicher Freude, die eine den Namen Sophie und die andre den Namen Henriette. Diese unvermutete Zusammenkunft machte den Damen mehr Verwunderung, als sie nach meiner Meinung dem einsichtsvollen Leser verursachen wird, der es schon erraten haben muß, daß die Fremde niemand anders sein konnte, als Madame Fitz Patrick, die Kousine des Fräuleins Western, von welcher wir angemerkt haben, daß sie nur wenige Minuten

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