Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
Vom Netzwerk:
selbst schon erraten werden.

Elftes Buch.
    Enthält einen Zeitraum von ungefähr drei Tagen.
     
    Erstes Kapitel.
    Ein Knochen für die Kritiker.
     
    Man ist vielleicht der Meinung, als wären wir in unserm letzten Einleitungskapitel dem furchtbaren Haufen von Männern, genannt Kritiker, nicht mit aller geziemenden Ehrfurcht begegnet, indem solche von den Autoren eine gar große Unterthänigkeit zu erheischen und wirklich auch mehrenteils zu erhalten gewohnt sind. Wir wollen demnach in diesem hier unsre Verfahrungsgründe gegen diese hochansehnliche Zunft beibringen, und werden solche vielleicht hier in einem Lichte darstellen, in welchem sie bisher noch nicht betrachtet worden ist. Das Wort Kritik ist griechischer Abstammung, und will soviel sagen als urteilen; daher vermute ich, haben einige Personen, welche die Ursprache nicht verstanden und die Uebersetzung des Stammworts allein merkten, geschlossen, es bedeute Urteil im juristischen Sinne, wo es gar oft als gleichbedeutend mit Verurteilung gebraucht wird.
    Ich bin um so mehr geneigt, diese Meinung anzunehmen, als seit einigen Jahren die meisten Kritiker unter den Juristen angetroffen werden. Viele von diesen Herren haben, aus kleingläubiger Verzweiflung vielleicht, daß sie wohl nicht so bald auf eine bürgerliche [224] Gerichtsbank zu sitzen kommen möchten, sich auf die Bänke des Parterres im Schauspielhause gesetzt, woselbst sie ihre richterliche Gewalt ausgeübt, und ihre Urteile abgegeben, das heißt, ohne Gnad und Barmherzigkeit verurteilt haben. Es möchte diesen Herren vielleicht so unbehaglich eben nicht sein, wenn wir's bei dieser Vergleichung mit einem der wichtigsten und ehrenvollsten Aemter in der bürgerlichen Gesellschaft bewenden ließen; und wenn wir gemeint wären, um ihre Gunst und Gewogenheit zu werben, so würden wir das wirklich thun. Da wir aber des Vorhabens sind, nicht nur sehr aufrichtig, sondern auch sehr verständlich mit ihnen zu reden, so müssen wir sie hier an einen andern Justizbeamten von weit niedrigerm Range erinnern, mit welchem sie gleichfalls eine entfernte Aehnlichkeit haben, insofern sie nicht nur verurteilen, sondern auch selbst ihre Urteile zur Vollstreckung bringen.
    In der That gibt es aber noch ein ander Licht, in welches die neueren Kritiker mit vieler Gerechtigkeit und Schicklichkeit gestellt werden mögen, und zwar in das Licht eines gemeinen Ehrenschänders. Wenn ein Mensch, welcher die Charaktere anderer Leute durchsichtet und durchspäht, in keiner andern Absicht, als um ihre Fehler zu entdecken und solche öffentlich der Welt bekannt zu machen, den Namen eines Ehrenschänders oder eines Räubers des guten Namens der Menschen verdient, warum sollte nicht ein Kritiker, welcher in ebenderselben hämischen Absicht liest, nicht eben so ziemender Weise ein Ehrenschänder oder ein Räuber des guten Namens der Bücher genannt werden?
    Das Laster hat, wie ich glaube, keinen verworfenern Sklaven, die bürgerliche Gesellschaft kann kein häßlicheres Ungeziefer aufweisen, und der Satan selbst kann keinen würdigern, vielleicht auch keinen angenehmern Gast in seiner Wohnung aufnehmen, als einen Ehrenschänder. Ich fürchte, die Welt betrachtet dies Ungeheuer nicht mit halb dem Abscheu, welchen es verdient, und noch mehr fürchte ich mich, die Ursache von dieser unverantwortlichen Gelindigkeit gegen dasselbe zu entwickeln; so viel ist aber gewiß, daß ein Dieb, mit ihm verglichen, fast unschuldig erscheint; ja selbst der Mörder reicht nur sehr selten an seine Verbrechen; denn Verleumdung ist eine grausamere Waffe als ein Schwert, und die Wunden, welche die erste schlägt, sind allemal unheilbar. In der That gibt's nur eine Art zu morden, und zwar die feigste und verabscheuteste von allen, welche eine genaue Aehnlichkeit mit dem Laster hat, wogegen hier deklamiert wird, und das ist das Vergiften; ein Mittel sich zu rächen, das so niederträchtig und doch so gräulich ist, daß es die alten Gesetze mit vieler Weisheit durch eine ganz besonders strenge Strafe vor allen übrigen Mordthaten auszeichneten.
    [225] Zu dem fürchterlichen Unheil, welches die Verleumdung anstiftet, und zu der Niederträchtigkeit der Mittel, durch welche sie wirkt, kommen noch andere Umstände, welche ihre scheußlichen Eigenschaften noch verdammenswürdiger machen; denn oft handelt der Ehrenschänder, ohne im geringsten gereizt zu sein, und selten verspricht er sich irgend einigen Lohn, es sei denn, daß gewisse schwarze und höllisch

Weitere Kostenlose Bücher