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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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etwas Schlaf erquicken. Bis jetzt wußte sie nichts, weder von ihrer Geschichte noch von ihrer Besorgnis, hätte sie aber auch beide gekannt, so würde sie ihr doch eben den Rat gegeben haben, denn es war nur zu sichtbar, wie sehr sie die Ruhe nötig habe, und die Länge des Weges, welche sie außer der Heerstraße zurückgelegt hatten, entfernte [232] alle Gefahr vom Nachsetzen so völlig, daß sie selbst für sich in diesem Punkte nicht das geringste besorgte.
    Sophie ließ sich leicht bereden, den Rat ihrer Freundin zu befolgen, den auch ihre Jungfer sehr herzlich unterstützte. Madame Fitz Patrick erbot sich auch ihrer Kousine Gesellschaft zu leisten, was Sophie mit vieler Gefälligkeit annahm. Das Fräulein war nicht so bald zu Bette, als ihre Zofe sich anschickte, ihrem Beispiele zu folgen. Sie begann gegen ihre Schwester Abigail viele Entschuldigungen zu machen, daß sie sie an einem so abscheulichen Orte, wie im Gasthofe, so allein lassen müßte; allein die andre, welche sich ebenso geneigt fand, ein paar Stündchen zu nicken, fiel ihr ins Wort und bat um die Ehre ihrer Bettgesellschaft. Sophiens Jungfer gestand der andern die Bettgesellschaft zu, protestierte aber, daß die Ehre allein auf ihrer Seite sei. Und so nach manchen Knicksen und Komplimenten gingen auch die Nachtrittsdamen miteinander zu Bett, wie ihre Gebieterinnen schon vorher gethan hatten.
    Der Gastwirt des Hauses hatte die Gewohnheit (wie es fast durchgängig die ganze Brüderschaft zur Gewohnheit hat), sich aufs genaueste bei allen Hauderern, Bedienten, Postillons und dergleichen nach dem Namen seiner Gäste zu erkundigen, wie groß ihre Güter wären, wo sie belegen u.s.w. Es ist also nicht zu verwundern, daß die verschiedenen besonderen Umstände, welche bei unsern Reisenden zusammentrafen, und besonders der, daß sie sich alle zu einer so außerordentlichen Stunde, wie zehn Uhr des Vormittags, zu Bette legten, seine Neugier in Gang setzen mußten. Sobald als demnach die Vorreiter in die Küche kamen, fing er an, sie auszuforschen, wer die Damen wären und woher sie kämen. Die Kerle aber, ob sie ihm gleich getreulich alles erzählten was sie wußten, gaben ihm nur sehr wenig Befriedigung, und anstatt seine Neugier zu dämpfen, setzten sie solche vielmehr in lichte Flammen.
    Dieser Gastwirt stand bei allen seinen Nachbarn im Rufe eines sehr schlauen Kopfes. Man hielt dafür, er dringe weiter und tiefer in die Sachen, als irgend ein Mann im Kirchspiele, den Herrn Pfarrer selbst nicht ausgenommen. Vielleicht hatte sein Blick nicht wenig beigetragen, ihm diese Reputation zu erwerben, denn in diesem lag etwas so wundervoll Weises und Bedeutsames, besonders wenn er eine Pfeife im Mund hatte, ohne welche er sich denn auch wirklich selten zeigte. Sein Betragen half ihm gleichfalls nicht wenig, die gute Meinung von seiner Weisheit zu unterhalten. In seinem Benehmen war er feierlich, wo nicht fast steif und finster, und wenn er sprach, welches selten geschah, so war es immer mit leiser Stimme, und ob er gleich nur kurze, abgebrochene Sätze vorbrachte, so spickte er sie doch immer noch mit manchen hm's, ha's! so, so's! und mehr [233] dergleichen Lückenbüßern aus, so daß, obwohl er beständig seine Worte mit gewissen nachdrücklichen Gebärden begleitete, zum Exempel den Kopf schüttelte oder nickte, oder den Zeigefinger an die Nase legte, er doch dadurch seine Hörer noch immer mehr denken ließ, als er sagte, ja er gab ihnen gewöhnlich zu verstehen, daß er noch weit mehr wisse, als er für dienlich erachte zu sagen. Dieser letzte Umstand allein konnte wirklich hinlänglich sein, den Ruf von seiner Weisheit zu erklären, weil die Menschen gar außerordentlich geneigt sind, dasjenige zu verehren, was sie nicht verstehen; ein großes Geheimnis, auf welches viele Betrüger des menschlichen Geschlechts das ganze Glück ihrer Täuschung gebaut haben.
    Diese politische Person nahm jetzt ihre Frau auf die Seite und fragte sie, was sie wohl von den eben angekommenen Damen dächte? »Was ich von ihnen denke?« sagte die Frau. »Nu, was sollt' ich von ihnen denken?« – »Ich weiß wohl was ich denke,« sagte der Wirt. »Die Pferdeknechte erzählen sonderbare Dinge. Der eine gibt vor sie kommen von Gloucester, und der andre will sagen sie komm'n von Upton, und keiner von beiden, so viel ich finde, kann sagen wo sie hinwoll'n. Aber wer hat wohl jemals seinen Weg von Upton quer durchs Land hierher genommen, besonders nach London zu? und das eine von

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