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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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fortfuhr:
    »Sie müssen gewiß viel von meiner Verheiratung gehört haben, weil aber die Sachen wohl nicht nach aller Treue erzählt sein können, so will ich meine Erzählung gleich beim ersten Anfang meiner unglücklichen Bekanntschaft mit meinem jetzigen Ehemann anheben, welche zu Bath begann, bald nachdem Sie meine Tante verlassen hatten und wieder zu Ihrem Herrn Vater gereist waren.
    Unter den muntern jungen Herrn, welche sich die damalige Brunnenzeit über zu Bath befanden, war auch Herr Fitz Patrick. Er war hübsch, ungezwungen, äußerst galant und kleidete sich besser, als fast alle übrigen. Kurz, meine Beste, wenn Sie so unglücklich wären, ihn jetzt zu sehen, so kann ich ihn nicht besser beschreiben, als wenn ich Ihnen sage, er war damals in allen Stücken das Gegenteil von dem, was er jetzt ist: denn er hat so lange Zeit in Feldern und Wäldern verlebt, daß er am Ende ein völlig wilder Irländer geworden ist. Um aber in meiner Geschichte fortzufahren, so empfahlen ihn die Eigenschaften, welche er zu der Zeit besaß, dermaßen, daß, obgleich damals der höchste Adel seine intimen [239] Gesellschaften für sich hatte, wovon alle übrigen ausgeschlossen waren, dennoch Herr Fitz Patrick in solche Zutritt hatte. Es war vielleicht überhaupt schwer ihn zu vermeiden; denn bei ihm bedurfte es wenig oder gar keiner Einladung, und weil er hübsch und einschmeichelnd war, so fand er es ziemlich leicht, sich bei den Damen angenehm und beliebt zu machen. Da er nun auch verschiedenemal seinen Degen gezogen hatte, so mochten ihn auch die Herren nicht gern öffentlich beleidigen. Wär' es nicht dieser Umstand gewesen, so glaub' ich, würde er von den Mannspersonen bald ausgedrängt worden sein, denn er hatte gewiß nicht das geringste Recht, vor dem niedern englischen Adel einen Vorzug zu begehren, und sie schienen auch nicht geneigt, ihm eine vorzügliche Achtung zu bezeigen. Hinter seinem Rücken hielten sie sich alle über ihn auf, welches aber wohl aus Neid geschehen mochte, denn das Frauenzimmer nahm ihn sehr wohl auf und begegnete ihm mit vorzüglicher Gewogenheit.
    Meine Tante, ob sie gleich nicht zu dem höchsten Adel gehörte, war doch mit in seine Gesellschaften gezogen worden, weil sie allezeit am Hofe gelebt hatte; denn auf was Weise man auch in diese vornehmen Zirkel gelangt, wenn man einmal darin ist, so ist es Verdienst genug, daß man darin ist. Diese Bemerkung haben Sie, so jung als Sie waren, kaum umhin können über meine Tante zu machen, welche freundlich oder vornehm und steif mit den Leuten war, je nachdem sie mehr oder weniger von diesem Verdienste besaßen.
    Und dieses Verdienst, glaub' ich, war es, welches Herrn Fitz Patrick hauptsächlich ihrer Gewogenheit empfahl. Er war darin so glücklich, daß er sich beständig bei ihren kleinen Partieen befand. Er ließ sich's auch sehr angelegen sein, ihr diese Distinktion zu erwidern, denn sein Betragen gegen sie war sehr bald so auszeichnend und unterscheidend, daß der Skandalklub darüber seine Anmerkungen zu machen begann und gutherzigere Personen sie miteinander verheirateten. Für mein Teil, ich gesteh' es, zweifelte ich keineswegs, daß er, nach der gewöhnlichen Redensart, die ehrlichsten Absichten hätte, das heißt vermittelst einer Heirat einem Frauenzimmer ihr Vermögen zu stehlen. So viel sah ich wohl, daß meine Tante weder jung noch schön genug wäre, um gewisse zügellose Neigungen einzuflößen, aber an Ehestandsreizen besaß sie einen großen Ueberfluß.
    Ich ward in dieser Meinung noch mehr durch die außerordentliche Ehrerbietung bestärkt, welche er mir selbst von dem ersten Augenblicke unsrer Bekanntschaft an bezeigte. Dies nahm ich auf als Bemühungen, dadurch er womöglich die Abneigung verringern wollte, die mir in seinen Gedanken mein Eigennutz gegen seine vorhabende Verbindung einflößen möchte. Und gewissermaßen that es [240] auch diese Wirkung; denn weil ich mir an meinem eigenen Vermögen genügen ließ und weniger als irgend ein Mensch in der Welt mich von eigennützigen Absichten beherrschen ließ, so konnte ich auch eben keine große Feindin von einem Manne sein, mit dessen Betragen in Absicht meiner ich höchst vergnügt war, um so mehr da ich die einzige war, welcher er eine solche Ehrerbietung bezeigte, denn er betrug sich zu gleicher Zeit gegen verschiedene Damen vom höchsten Range so, daß er ihnen auch nicht einen Schatten von Hochachtung bezeigte.
    So angenehm mir dies war, so verwandelte er es doch bald

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