Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
Vom Netzwerk:
Hand-Eggen der Jungfer Honoria erlitten hatte, aufs lauteste um Rache und Gerechtigkeit schrie. Was den armen Mann anbetraf, welcher vorzüglich in dem Handgemenge gelitten hatte, so war er vollkommen ruhig. Vielleicht hatte das Blut, welches er verloren, seinen Zorn abgekühlt, denn seine Widersacherin hatte nicht bloß ihre Nägel durch seine Wangen gezogen, sondern auch mit ihrer Faust seine Nase bearbeitet, welche die empfangenen Streiche mit mildiglich fließenden blutigen Thränen beklagte. Wir können hierzu noch die Betrachtungen über seinen Irrtum zählen. In der That aber brachte nichts so nachdrücklich seinen Groll zum Stillschweigen, als die Art und Weise, auf welche er jetzt seinen Irrtum inne ward. Denn das Betragen der Zofe hatte ihn nur noch in seiner Meinung bestärkt; allein er ward um diese Zeit von einer Person von hohem Ansehen, die mit einem großen Gefolge angelangt war, versichert, eine von den Damen sei von hohem Stand und ihre genaue Bekannte.
    Auf Befehl dieser Person ging der Gastwirt jetzt hinauf und berichtete unsern schönen Reisenden, da unten sei ein vornehmer Herr von Stande, welcher ihnen die Ehre erzeigen und ihnen einen Besuch abstatten wollte. Sophie war bei dieser Botschaft blaß und zitterte heftig, obgleich der Leser schließen wird, sie sei ungeachtet [264] der tölpischen Ausrichtung des Wirtes zu höflich gewesen, um von ihrem Vater zu kommen. Allein die Furcht hat den gewöhnlichen Fehler eines Unterrichters und ist sehr fähig, aus unbedeutenden Umständen einen übereilten Schluß zu ziehen, ohne die beiderseitigen Zeugen zu verhören.
    Mehr also um des Lesers Neugierde, als seine Besorgnis zu befriedigen, schreiten wir dazu, ihm Nachricht zu geben, daß noch den Abend vorher sehr spät ein irländischer Peer auf seinem Wege nach London im Wirtshause angelangt war. Diese Standesperson war bei dem vorerzählten Sturme von ihrem Abendessen aufgestanden, hatte bei dieser Gelegenheit die Aufwärterin der Madame Fitz Patrick zu sehen bekommen, und mit wenigen Worten die Nachricht von ihr eingezogen, daß ihre Dame, mit welcher er sehr genau bekannt war, sich oben im Hause befände. Diese Nachricht hatte er nicht so bald erhalten, als er sich an den Hauswirt wendete, ihn zufrieden stellte und ihn mit einem Kompliment hinaufschickte, welches viel höflicher lautete als das, was der Wirt wirklich ausrichtete.
    Vielleicht wundert man sich darüber, daß die Kammerjungfer nicht selbst gewählt wurde, bei dieser Gelegenheit das Geschäft auszurichten, aber mit Leidwesen müssen wir's sagen, sie befand sich jetzt weder zu diesem noch irgend einem andern Dienste im stande. Der Rum (denn so beliebte es dem Wirte, die Destillation aus Malz zu nennen) hatte die Gelegenheit der Ermüdung des armen Mädchens von seiner Reise erschlichen und in ihren edlen Fähigkeiten und Kräften zu einer Zeit, da solche dem Angriff nicht zu wider stehen vermochten, eine jämmerliche Verheerung angerichtet.
    Diesen tragischen Auftritt wollen wir nicht der Länge nach beschreiben, allein nach der historischen Wahrheitsliebe, zu welcher wir uns bekennen, hielten wir uns für verbunden, eines Umstandes im Vorbeigehen zu erwähnen, den wir sonst gern ausgelassen hätten. Manche Geschichtsschreiber überlassen öfters dem Leser, in Ermangelung dieser Wahrheitsliebe oder des gehörigen Fleißes, im nichts Schlimmeres zu sagen, dergleichen kleine Umstände aus der Dunkelheit hervorzusuchen, und versetzen sie dadurch zuweilen in große Verwirrung und Verlegenheit.
    Sophie ward ihrer grundlosen Furcht durch den Eintritt des irländischen Herrn Reichsgrafen sehr bald entledigt: dieser war nicht nur von Madame Fitz Patrick ein sehr guter Bekannter, sondern auch wirklich ein sehr vertrauter Freund. Der Wahrheit zu Ehren müssen wir sagen, daß es vermittelst seines Beistandes war, daß sie in den Stand gesetzt worden, den Händen ihres Gemahls zu entkommen; denn der Herr Graf folgte eben den tapfern Gesinnungen jener berühmten Ritter, wovon wir in den Heldenbüchern [265] lesen, und hatte schon manche bedrückte und bedrängte Nymphe aus ihren Trübsalen erlöst. Er war wirklich ein eben so bittrer Feind der wilden Oberherrschaft, welche Ehemänner und Väter nur zu oft über die jungen liebenswürdigen Personen des schönen Geschlechts ausüben, als nur jemals ein irrender Ritter es von der barbarischen Gewalt der Riesen und Zauberer sein konnte: ja, die Wahrheit zu sagen, ich habe oft geargwohnt, daß eben

Weitere Kostenlose Bücher