Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
diese Riesen und Zauberer, deren es in allen Romanen bei ganzen Haufen gibt, eigentlich nichts andres gewesen sein mögen, als die damaligen Ehemänner; und der Ehestand selbst war vielleicht das bezauberte Schloß, in welchem der Sage nach die Nymphen gefangen gehalten wurden.
Dieser hochadelige Herr hatte ein Gut in der Nachbarschaft des Herrn Fitz Patrick und war schon seit einiger Zeit mit der Dame bekannt gewesen. Sobald er also von ihrer Einsperrung hörte, war er allen Ernstes darauf bedacht, ihre Freiheit zu bewirken. Er beschaffte solche auch sehr bald, nicht durch Bestürmung des Kastells, zufolge des Beispiels der alten Helden, sondern durch Bestechung des Gouverneurs, nach Art und Brauch der neuern Art Krieg zu führen, bei welcher List höher geachtet wird als Tapferkeit, und Gold unwiderstehlicher befunden wird, als Blei oder Stahl.
Weil aber die Dame diesen Umstand nicht für wesentlich genug hielt, um solchen ihrer Freundin zu erzählen, so mochten wir ihn auch damals unserm Leser nicht mitteilen. Wir wollten ihn lieber ein Weilchen bei dem Gedanken lassen, daß sie das Geld, womit sie ihren Kerkermeister bestochen, gefunden, gemünzt oder sonst auf eine außerordentliche, vielleicht gar übernatürliche Weise überkommen habe, als die Erzählung dadurch unterbrechen, daß wir ihm von einer Sache einen Wink geben, die ihr zu unwürdig schien, um sie in ihre Geschichte einfließen zu lassen.
Nach einem kurzen Gespräche konnte sich der Peer nicht enthalten, eine kleine Verwunderung zu äußern, wie er die Dame an diesem Ort anträfe, auch sich ebensowenig entbrechen, ihr zu sagen, er habe geglaubt, sie wäre nach Bath gegangen. Madame Fitz Patrick antwortete sehr freimütig, sie wäre an ihrem Vorsatze durch die Ankunft einer Person, welche sie nicht zu nennen brauchte, verhindert worden: »Kurz,« sagte sie, »mein Ehemann holte mich ein; denn wozu sollt' ich mich zieren, eine Sache zu verhehlen, welche die Welt bereits nur allzugut weiß? Ich hatte das Glück, ihm auf eine höchst wundersame Weise zu entwischen, und bin nun auf dem Wege nach London mit dieser jungen Dame, welche meine nahe Verwandte ist, und die einem ebenso großen Tyrannen, als der meinige ist, entflieht.«
Seine hochgräfliche Gnaden, welche hieraus schlossen, dieser [266] Tyrann müsse gleichfalls ein Ehemann sein, hielten eine Standrede voller Komplimente an beide Damen, und voller Schmähungen auf sein eigenes Geschlecht; dabei unterließ er auch nicht, einige Seitenhiebe sowohl auf die Einsetzung des Ehestandes selbst, als auf die ungerechte Gewalt fallen zu lassen, welche solche den Männern über die verständigere und verdienstbegabtere Hälfte des Menschengeschlechts erteilt. Er endete seine herrlich gesetzte Rede mit dem Anerbieten seiner Protektion nebst seiner sechsspännigen Kutsche, welches beides ohne Bedenken von Madame Fitz Patrick, und endlich auch auf ihr Zureden von Sophien angenommen wurde.
Nachdem die Sachen solchergestalt berichtigt waren, beurlaubten sich Seine hochgräfliche Gnaden, und die Damen begaben sich zu Bett, woselbst Madame Fitz Patrick ihre Kousine mit vielen hohen Lobsprüchen über den Charakter dieses hochadeligen Herrn unterhielt und sich besonders über seine große Zärtlichkeit gegen seine Gemahlin verbreitete, da sie unter anderm sagte, sie glaubte, er wäre fast der einzige Mann seines hohen Standes, welcher beständig seinem Ehebette völlig treu gewesen. »In der That,« fügte sie hinzu, »meine teure Sophie, unter Männern von höherm Adel ist dies eine sehr seltene Tugend. Erwarten Sie solche ja nicht, wenn Sie sich verheiraten, denn glauben Sie mir's, wenn Sie sich darauf Rechnung machen, so werden Sie gewiß betrogen!«
Ein stiller Seufzer entstahl sich Sophiens Brust bei diesen Worten, welche vielleicht das ihrige beitrugen, einen Traum von eben nicht angenehmer Gattung zu bilden; weil sie aber keinem Menschen diesen Traum entdeckt hat, so kann auch der Leser nicht erwarten, ihn hier erzählt zu finden.
Neuntes Kapitel.
Beschreibung des Morgens im blumenreichen Stil. Eine ordentliche Postkutsche. Höflichkeit der Kammerjungfern. Sophiens Heldenmut und Großmut. Abreise der Gesellschaft und ihre Ankunft zu London, nebst einigen Bemerkungen zu Nutz und Frommen reisender Personen.
Jene Mitglieder der menschlichen Gesellschaft, geboren die Erquickungen des Lebens zu erzielen, begannen jetzt ihre Lampen und Lichter anzuzünden, um ihren täglichen Geschäften zum Dienste
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