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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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davonzutragen, hier erscheint die Natur in ihrem prachtvollsten Gewande, und die Kunst in der bescheidensten Einfalt gekleidet tritt hinter ihrer milden Gebieterin einher. Hier schüttet die Natur wirklich die ausgesuchtesten Schätze aus ihrem Füllhorn, womit sie so mildgebend gegen diese Welt ist, und hier weist die menschliche Natur einen Gegenstand auf, welcher nur in jener übertroffen werden kann. Eben der Geschmack, eben die Einbildungskraft, welche in diesen herrlich geschmückten Szenen in Geistes-Wollust schwimmen, können auch ihre Unterhaltung finden an Gegenständen von weit niederem Gehalt. Die Wälder, die Bäche, die Wiesen von Devon und Dorset ziehen die Augen des verständigen Reisenden auf sich und verzögern seine Schritte, welchen Verzug er nachmals dadurch wieder einbringt, daß er schnell hinwandelt über die kahlen Bagshotter Heiden, oder die liebliche Ebene, die sich von Stockbridge westwärts hinzieht, auf welcher in einer Strecke von vier Stunden sich kein Gegenstand erblicken läßt, als ein einziger einsamer Baum, es sei denn, daß die Wolken aus Mitleiden mit unsern vor langer Weile vergehenden Gedanken ihren buntgemalten Teppich zum Prospekt für unsre Augen gütig ausbreiteten.
    Nicht also reist der geldspähende Kaufmann, der tiefdenkende Richter, der ehrenbegabte Doktor, der warmbekleidete Viehhändler, nebst der ganzen zahlreichen Sippschaft des Reichtums und der Fühllosigkeit. Fort watscheln sie mit gleichem Schritt durch schmelzbeblümte Wiesen, wie über kahle dürre Heiden; ihre Rosse messen gleiche Anzahl von Schritten von Stunde zu Stunde, und irren wenig oder nichts in der abgemessenen Zahl; das Auge des Tiers und das Auge seines Herrn sehen in gleicher gerader Richtung vor sich hin, und sind beschäftigt einerlei Gegenstände auf einerlei Weise zu schauen. Mit einerlei Entzücken beguckt der gute Reiter den stolzesten Triumph der Baukunst und jene niedlichen Gebäude, womit irgend ein unbekannter Name die reiche Weberstadt geschmückt hat, woselbst Haufen von gebrannten Ziegeln aufgestapelt stehen, als sollten sie zu einer Art von Denkmal dienen, daß dort ehedem aufgestapelte Geldhaufen gestanden haben.
    Und nun, mein Leser, weil wir große Eile haben, unsrer Heldin die Aufwartung zu machen, so wollen wir's deinen eignen Einsichten überlassen, alles das Gesagte auf die poetischen Büchermacher und [271] auf solche Schriftsteller, die ihre Gegenfüßler sind, richtig anzuwenden. Dies wirst du mehr als reichlich im stande sein, ohne unsre Hilfe zu verrichten. Denn ob wir dir gleich allemal an schweren Stellen den erforderlichen Beistand leisten wollen, weil wir nicht, wie wohl andre pflegen, von dir erwarten, daß du Wahrsagerkünste anwenden könnest um unsre Meinung zu entdecken, so sind wir doch nicht gesonnen alsdann deiner Faulheit ein Polster unterzulegen, wenn nichts weiter als deine eigene Aufmerksamkeit dazu gehört. Denn du irrst dich weidlich, wenn du dir einbildest, wir wären, als wir dies große Werk begannen, des Vorsatzes gewesen, deinem Nachdenken gar nichts zu thun zu lassen, oder wir hätten gedacht, du würdest, ohne dies Talent im geringsten zu üben, fähig sein, durch unsre Seiten und Bogen mit irgend einigem Nutzen oder Vergnügen hindurchzureisen.

Zehntes Kapitel.
    Ein oder ein paar kurz hingeworfene Gedanken über Tugend, und noch ein paar mehr über Argwohn.
     
    Als unsre Gesellschaft zu London angelangt war, stieg sie ab in dem Hause des Herrn Grafen, aus welchem, unterdessen sie sich von der Ermüdung der Reise durch einige Erfrischungen erquickten, einige Bediente fortgesandt wurden, um den Damen eine Behausung zu verschaffen. Denn weil die Frau Gräfin sich nicht in der Stadt befanden, so wollte sich Madame Fitz Patrick schlechterdings nicht bewegen lassen, ein Bett im Hotel des Peers anzunehmen.
    Einige Leser werden vielleicht diese außerordentliche Delikatesse der Tugend, wie ich es nennen möchte, als gar zu überspannt und gewissenhaft verurteilen, aber wir müssen ihr wegen ihrer Lage etwas zugute halten, von der man gestehen muß, daß sie sehr heiklich war, und wenn wir die Bosheit der Lästerzungen in Betrachtung ziehen, so müssen wir zugeben, daß der Fehler, wofern es ein Fehler genannt zu werden verdient, eine Uebertreibung am rechten Orte gewesen, und welchen jedes Frauenzimmer, das sich in eben der Lage befindet, sehr wohl thun wird nachzuahmen. Die pünktlichste Formalität beim äußern Scheine der Tugend, wenn sie weiter

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