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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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daß er den Hanswurst und seine lustigen Kameraden aus seinem Dienste entlassen hat.«
    Der Herr Puppenprinzipal begann hierauf eine zweite Rede einzufädeln und sagte ein langes und breites über die Macht des Beispiels und wie sehr die niedrige Klasse der Menschenkinder vom Laster abgeschreckt würde, wenn sie sähen, wie häßlich es bei den Vornehmern herauskäme, als er unglücklicherweise durch einen Zufall unterbrochen wurde, welchen wir vielleicht vorbeigelassen hätten, den wir uns aber jetzt nicht enthalten können zu erzählen, nur nicht in diesem Kapitel.

Sechstes Kapitel.
    Aus welchem man die Lehre nehmen kann, daß die besten Sachen dem Mißverstande und falschen Erklärungen unterworfen.
     
    Jetzt entstand ein heftiger Lärm bei der Einlaßthüre, woselbst die Wirtin ihrer Magd das Gewicht ihrer Fäuste und ihrer Zunge tüchtig fühlen ließ. Sie hatte wirklich die Dirne bei ihren Verrichtungen vermißt und solche nach einigem Suchen auf dem Marionettentheater in Gesellschaft des Bajazzo in einer Stellung angetroffen, die sich hier nicht wohl beschreiben läßt. Obgleich Gundchen (denn das war ihr Name) allen Anspruch auf Zucht und Ehrbarkeit verscherzt hatte, so war sie doch noch nicht unverschämt genug, eine [296] That zu leugnen, über welcher sie auf der Stelle ertappt worden. Sie nahm also eine andre Wendung und versuchte es, ihr Verbrechen zu mildern. »Was hat Sie mich so entsetzlich zu prügeln, Madame?« rief die Dirne. »Wenn Sie mit meinem Thun und Lassen nicht zufrieden ist, so kann Sie mich ja manns weggehn lassen. Wenn ich eine Hure bin (denn die Wirtin war mit dieser Benennung gar nicht sparsam gegen das Mädchen), so gibt's wohl vornehme Leute, die so gut sind als ich. Was war wohl die vornehme Madame da eben im Puppenspiel? Ich sollt' doch meinen, vor nichts und wieder nichts wär' sie nicht ganze Nächte aus ihres Ehemanns Hause fortgeblieben!« Hierüber sprengte die Wirtin nach der Küche und nahm sowohl ihren Ehemann als den Puppendirektor in die Mache. »Hier siehst du,« sagte sie zu dem ersten, »was herauskommt, wenn du solche Leute in deinem Hause beherbergst! Wenn man auch ihretwegen ein bißchen mehr Bier wegzapft, so macht das kaum den Unrat wieder gut, den sie ins Haus bringen; und dann soll man sein Haus von solchem Lausegesindel zum Hurenhaus machen lassen noch darzu? Kurz und gut, ich sag's Euch, morgen im Tage müßt Ihr ausziehn, denn ich will solche Händel nicht mehr dulden. Denn anders kommt nicks dabei 'raus, als daß Er 'n Gesinde Müßiggang beibringt und Unsinn; denn was kann man wohl bessres aus solchem Firlefanz lernen? Ja zu meiner Zeit noch, als die Puppenspiele hübsche geistliche Historien vorstellten, als Jephthas rasch Gelübde und solche andächtige Sachen und gottlose Leute vom – Gottseibeiuns! weggeholt wurden; ja da war's ein ganz andres noch! Da war Verstand drin und gute Moraligen. Aber wie der Pastor vorigen Sonntag predigte, kein Mensch will heutigstags mehr an den Teufel glauben! und da bringt er denn noch so 'n Rudel Puppen her, die angezogen sind wie vornehme Grafen und Gräfinnen; und wozu? ja wozu? als unsern Dirnen auf'm Lande den Kopf zu verrücken, und wenn der erst nicht mehr steht, wo er stehen soll, so ist kein Wunder, wenn alles über und über und kunterbunt hergeht.«
    Ich denke, es ist Virgil, der uns sagt, daß, wenn der Pöbel in Lärm und Getümmel versammelt ist und alles, was werfbar ist, umherfliegt und dann ein Mann von Ansehen und Ernsthaftigkeit unter ihn tritt, sich das Getümmel alsobald legt und der Pöbel, welcher, wenn er in hellen Haufen versammelt ist, sich sehr gut mit dem Esel vergleichen läßt, seine langen Ohren bei der Rede des ehrwürdigen Mannes in die Höhe reckt.
    Wenn hingegen eine Versammlung ernsthafter Männer und Philosophen mit einander disputieren, wenn gewissermaßen die Weisheit selbst als gegenwärtig und den Disputierenden ihre Gründe [297] an die Hand gebend betrachtet werden kann, und sich dann ein Tumult unter dem Pöbel erhebt, oder das böse Weib, Schulgezänk, deren Geschrei allein so betäubend ist als das Geschrei eines ganzen versammelten Haufen Pöbels, unter besagten Philosophen erscheinen sollte, so hat's mit ihrem Disputieren augenblicklich ein Ende. Die Weisheit verrichtet nicht länger ihr Präsidentenamt und jedermanns Aufmerksamkeit wird auf das schändliche Häringsweib geheftet.
    Auf solche Weise brachte der vorbesagte Aufruhr und die Hereinkunft der Wirtin den

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