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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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so ließ er sich doch in vielen Dingen so weit herab, daß er die Manieren dieser Rangklasse nachahmte. Eine davon war, daß er das Vermögen seines Reisekompagnons, wie er Jones nannte, gar weidlich herausstrich: [299] denn dies ist eine allgemeine Gewohnheit aller Bedienten, wenn sie sich unter fremden Leuten befinden, weil keiner von ihnen gerne dafür gehalten sein will, daß er einen Bettler bediene; sie meinen, je höher der Herr im Range sei, je höher stehe auch folglich sein Diener. Die Wahrheit dieser Bemerkung erhellt aus dem Betragen aller Bedienten beim hohen Adel.
    Allein obgleich Rang und Vermögen einen Glanz um sich her verbreiten und die Bedienten von Leuten von großem Range und Reichtum selbst einen Anspruch auf einen Teil des Respekts zu haben glauben, welchen man dem Range und den Gütern ihrer Herren erweist: so ist es doch klarerweise ganz anders damit beschaffen in Rücksicht auf Tugend und Verstand. Diese Vorzüge sind im strengsten Sinne persönlich und verschlingen selbst alle den Respekt, welchen man ihnen schuldigermaßen zollt. Dieser Respekt ist nun freilich so unbeträchtlich, daß sie sehr wenig übrig behalten haben, mit andern zu teilen. Da diese nun keine Ehre auf den Domestiken zurückwerfen, so ist er auch durch den kläglichsten Mangel seines Herrn an beiden im geringsten nicht entehrt. Freilich ist es eine ganz andre Sache in Ansehung des Mangels dessen, was man bei einer Damenherrschaft Tugend nennt; deren Wichtigkeit haben wir vorhin schon bemerkt. Diese Art Unehre ist gewissermaßen ansteckend und teilt sich so ungefähr wie die leidige Seuche der Armut allen denen mit, die ihr nahe kommen.
    Dieser Ursachen halber müssen wir uns nicht wundern, daß Bediente (ich rede hier von männlichen) so sehr geflissentlich darauf bedacht sind, den großen Ruf ihrer Herren im Punkt des Reichtums im Ansehn zu erhalten und sich um die Ehre ihres Charakters in jeder andern Rücksicht fast wenig oder gar nicht bekümmern, und daß, so sehr sie sich schämen würden, einem Bettler zu dienen, sie sich doch nichts daraus machen, einem listigen Schelme oder einfältigen Dummkopfe aufzuwarten, und sich folglich kein Bedenken machen, die listigen Ränke oder einfältigen Thorheiten dieser besagten Herren so weit als möglich auszubreiten, und zwar dies oft mit vielem Spott und vieler Laune. Wirklich ist ein Bedienter oft ein schöner Geist oder ein süßer Herr auf Kosten desjenigen, dessen Livree er trägt. Als sonach Rebhuhn die großen Güter sehr stattlich herausgestrichen hatte, die Herr Jones einmal ererben würde, teilte er auch sehr unverhohlen die Besorgnis mit, die ihm seit gestern zu Kopfe gestiegen war und zu welcher, wie wir uns gleich damals ein wenig merken ließen, Jones' Aufführung einen hinlänglichen Grund gegeben zu haben schien. Kurz er war nunmehr so ziemlich in seiner Meinung bestärkt, daß es bei seinem Herrn nicht so ganz richtig im Kopfe wäre! Mit welcher Meinung er gegen [300] die gute Gesellschaft um das Feuer herum so ziemlich plumperweise herausplatzte.
    Dieser Meinung trat der Marionettenspieler auf der Stelle bei. »Ich muß gestehn,« sagte er, »der Herr setzte mich in Erstaunen, als er so ohn' alle Vernunft über meine Puppenspiele redete. Es ist beinahe unbegreiflich, daß irgend ein Mensch bei gesundem Verstande so falsch sollte urteilen können. Was Sie mir da jetzt sagen, daraus lassen sich alle seine monströsen Begriffe sehr gut erklären. Der arme Herr! er geht mir herzlich nah. Wirklich, seine Augen gingen ihm sehr wild im Kopfe herum, das merkt' ich gleich vorhin, ob ich gleich nichts davon sagen mochte.«
    Der Wirt bestätigte diese letzte Behauptung und schrieb sich gleichfalls die Scharfsichtigkeit zu, es schon vorhin bemerkt zu haben. »Und gewißlich,« fuhr er fort, »'s muß wahr sein: denn niemand anders als 'n toller Mensch hätt' nur drauf denken können, ein so gutes Haus zu verlassen, um bei so später nachtschlafender Zeit auf den Heerstraßen herumzuwanken.«
    Der Accisbeamte nahm seine Pfeife aus dem Munde und sagte: »Er dächte, der Herr hab'n bißchen wild ausgesehn und gesprochen.« Drauf wendete er sich an Rebhuhn und sagte: »Wenn er im Kopf verrückt ist, so sollte man nicht leiden, daß er so frei unter den Leuten herumgehen dürfte, denn er kann sehr leicht groß Unheil anrichten; 's ist eine Sünde,« sagte er, »daß man 'n nicht festnimmt und seinen Verwandten nach Hause schickt.«
    Nun spukten wirklich schon einige

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