Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
sich gleich in der Folge zeigen kann, daß sie gerade eben nicht der edelste Charakter ihres Geschlechtes gewesen, so ist dennoch gewiß, daß diese großmütigen Gesinnungen einen starken Eindruck auf sie machten und die Zuneigung um ein großes vermehrten, die sie vorher schon zu unsrem jungen Helden gefaßt hatte.
Jetzt sagte die Dame, nach einem Stillschweigen von ein paar Augenblicken, sie betrachte seine Ansprüche auf Sophie eben nicht als kühn und verwegen, sondern vielmehr als unbesonnen und wider die Klugheit. »Junge Männer,« sagte sie, »können ihre Gedanken niemals zu hoch richten. Ich liebe die Ambition in einem jungen Manne, und ich möchte Ihnen raten, solche auf alle mögliche Weise zu kultivieren. Es kann Ihnen vielleicht bei Personen gelingen, die unendlich reicher sind, ja, ich bin überzeugt, es gibt Frauenzimmer – Aber halten Sie mich nicht für eine wunderliche Kreatur, Herr Jones, daß ich mich darauf einlasse, einem Manne Rat zu geben, mit dem ich so wenig bekannt bin, und noch dazu einem Manne, mit dessen Betragen gegen mich ich so wenig Ursache habe, zufrieden zu sein?«
Hier begann Herr Jones Entschuldigungen zu machen, wie er hoffe, er habe sie durch nichts beleidigt, was er über ihre Kousine gesagt – worauf die Maske antwortete: »Und sind Sie denn so wenig mit meinem Geschlechte bekannt, um nicht zu wissen, daß sie ein Frauenzimmer nicht leicht härter beleidigen können, als wenn Sie solches mit ihrer Leidenschaft für eine andre unterhalten? Wenn die Feienkönigin keine bessere Meinung von Ihrer Galanterie gehabt hätte, sie würde Ihnen schwerlich eine Zusammenkunft auf der Maskerade gegeben haben.«
Jones hatte niemals weniger Neigung zu einer Liebelei gehabt als jetzt; aber Galanterie gegen Frauenzimmer war mit unter seinen Grundsätzen von Ehre, und er hielt es für eine ebenso große Ehrensache, eine Ausforderung zum Lieben anzunehmen, als wenn es eine Ausforderung zum Schlagen gewesen wäre. Dazu kam noch, daß eben seine Liebe zu Sophie es notwendig für ihn machte, es mit der Dame nicht zu verderben, weil er nicht zweifelte, sie sei im stande, ihm eine Unterredung mit der andern zu verschaffen.
Sonach begann er, auf ihre letzten Worte eine sehr warme Antwort zu geben, als eine Maske, verkleidet wie ein altes Weib, sich zu ihnen gesellte. Diese Maske war eine von jenen Damen, welche [69] bloß deshalb auf Maskeraden gehen, um dadurch ihrer Schadenfreude Luft zu machen, daß sie den Leuten bittre Wahrheiten sagen, und wie die Redensart ist, den Leuten so viel Schabernack anzuhängen als sie nur können. Diese liebe Dame also, welche bemerkt hatte, daß Jones und seine Freundin, welche sie wohl kannte, in einer Ecke des Zimmers mit vertraulicher Unterredung beschäftigt waren, dachte, sie könne ihren Spleen nicht besser auslassen, als wenn sie solche unterbräche. Sie attakierte sie also nach Maskeradensprache und trieb sie bald aus ihrem ruhigen Sitze; damit noch nicht zufrieden, verfolgte sie das Paar allenthalben, wo es sich hinbegeben wollte, um ihr auszuweichen, bis endlich Herr Nachtigall die Verlegenheit seines Freundes wahrnahm und ihn dadurch erlöste, daß er das alte Weib auf eine andre Art beschäftigte.
Während der Zeit, daß Jones mit seiner Maske im Saale herumging, um der Fopperin loszuwerden, bemerkte er, daß seine Dame mit verschiedenen Masken ebenso frei und bekannt sprach, als ob sie keine Larve vorm Gesicht gehabt hätten. Er konnte nicht umhin, darüber seine Verwunderung zu bezeigen und sagte: »Im Ernst, Madame, Sie müssen unendliche Geschicklichkeit besitzen, die Menschen unter allen Verkleidungen zu kennen.« Worauf die Dame versetzte: »Sie könne sich nichts Schaleres und Kindischeres denken, als eine Maskerade für Leute von Stande, die sich einander hier so gut kennen, als wenn sie in einer Assemblee oder bei Hofe zusammenkommen, darum spricht auch eine Dame von Stande mit niemand, mit dem sie nicht bekannt ist. Kurz, von dem zahlreichsten Haufen aller Personen, die Sie hier sehen, kann man mit größerem Recht sagen, daß sie ihre Zeit hier weniger töten, als an irgend einem andern Orte, und gemeiniglich, wenn sie hier weggehen, ist ihnen Zeit und Weile länger geworden, als in der längsten Predigt. Die Wahrheit zu sagen, fang' ich auch an, des Getümmels satt zu werden, und wenn ich noch die geringste Geschicklichkeit im Erraten habe, so finden auch Sie hier keinen sonderlichen Spaß mehr. Ich glaube wirklich, es ist beinahe
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