Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
der er die Stimme erkenne, in welcher er sich, wie er meinte, unmöglich irren würde. Einige derselben antworteten mit quiekender Stimme durch die Frage: Kennen Sie mich? Die meisten aber sagten: Ich kenne Sie nicht Maske! und weiter nichts. Einige nannten ihn einen zu dreisten Unbekannten, einige antworteten ihm kein Wort, und etliche sagten: »In der That, ich kenne Ihre Stimme nicht und also hab' ich Ihnen weiter nichts zu sagen,« und manche gaben ihm so freundliche Antworten, als er nur wünschen konnte, aber nicht mit der Stimme, die er zu hören sich sehnte.
Als er so stand und mit einer der letztern sprach (die sich als Schäferin verkleidet hatte), kam eine Dame im Domino auf ihn zu, klopfte ihn auf die Schulter und raunte ihm dabei ins Ohr: »Wenn Sie noch länger mit der Heidschnucke kürmeln, so sag' ich's Fräulein Western!«
Jones hörte nicht so bald diesen Namen, als er ungesäumt die Schäferin verließ und sich an den Domino wendete mit flehentlicher Bitte, ihm doch die Dame zu zeigen, die sie eben genannt hätte, wofern solche im Saale gegenwärtig wäre.
Die Maske ging eilig durch die Zimmer bis zum äußersten Ende des letzten, und dann, anstatt ihm zu antworten, setzte sie sich nieder und erklärte, sie sei müde. Jones setzte sich zu ihr und beharrte noch immer bei seiner Bitte. Zuletzt antwortete die Dame ganz kaltsinnig: »Ich dachte, Herr Jones wäre ein zu scharfsichtiger [67] Liebhaber, als daß er seine Geliebte nicht hinter jeder Verstellung erkennen sollte.« – »Ist sie denn hier, Madame?« versetzte Jones mit vieler Lebhaftigkeit. – Worauf die Dame erwiderte: »Hsch! hsch! mein Herr, man wird Sie beobachten. Ich versichre Sie auf meine Ehre, die Western ist nicht hier.«
Jones faßte jetzt die Hand der Maske und bat sie abermals aufs angelegentlichste, ihm zu sagen, wo er Sophie finden könnte, und da er keine verständliche Antwort zu erhalten vermochte, fing er an, ihr höflich vorzuwerfen, wie sie ihm den Tag vorher seine Hoffnung vereitelt habe, und beschloß damit, daß er sagte: »In der That, meine liebe Feienkönigin, ich kenne Ihro Majestät recht gut, ungeachtet Sie geruhen, Ihre Stimme so artig zu verstellen. In der That, meine gnäd'ge Frau von Fitz Patrick, es ist ein wenig grausam, sich dergestalt an meinen Qualen zu belustigen.«
Die Maske antwortete: »Ob Sie mich schon so schlauerweise ausfindig gemacht haben, so muß ich doch in eben der Stimme noch fortreden, damit mich andre nicht auch erkennen. Und meinen Sie, mein lieber Herr, daß ich meine Kousine nicht lieber habe als einen Liebeshandel unter Ihnen beiden zu begünstigen, der sowohl für meine Kousine als für Sie selbst zum größten Unglück ausschlagen müßte? Ueberdem ist meine Kousine, das versich're ich Sie, nicht thöricht genug, in ihren eignen Untergang zu willigen, wenn Sie auch genug ihr Feind wären, sie dazu verführen zu wollen.«
»Ach, Madame,« sagte Jones, »wie wenig kennen Sie mein Herz, wenn Sie mich für einen Feind von Sophie halten!«
»Und doch werden Sie zugeben, daß es wie ein Feind handeln heißt,« sagte die andre, »wenn man jemand ins Unglück stürzt, und wenn man durch eben diese Art zu handeln ganz wissentlich und gewiß sein eignes Unglück bewirkt; ist es dann nicht ebensogut Thorheit oder Tollheit, als Verbrechen obendrein? Nun aber, mein Herr, hat meine Kousine nur ein geringes mehr, als es ihrem Vater belieben wird, ihr mitzugeben, nur sehr wenig für eine Person von ihrem Stande. – Ihren Vater kennen Sie und kennen auch ihre eignen Glücksumstände.«
Jones beteuerte, er habe keine solche Absichten auf Sophie und beteuerte, er wolle lieber des grausamsten Todes sterben, als ihre Glückseligkeit seinen Wünschen aufopfern; er wisse, wie unwürdig er ihrer in jedem Betracht sei, er habe schon vorlängst beschlossen, alle dergleichen hochfliegende Gedanken fahren zu lassen, ein ganz sonderbarer Zufall habe ihm aber das Verlangen eingeflößt, sie noch einmal wieder zu sprechen, und dann verspräche er, auf ewig Abschied von ihr zu nehmen. »Nein, Madame,« fuhr er fort, »meine Liebe ist nicht von der schändlichen Art, welche ihre [68] eigne Befriedigung auf Kosten alles desjenigen sucht, was ihrem Gegenstande höchst teuer und wert ist. Ich wollte dem Besitze meiner Sophie alles in der Welt aufopfern, nur nicht Sophie selbst.«
Obgleich der Leser bereits eben nicht die engelreinste Idee von der Tugend der Dame im Domino geschöpft haben mag, und ob es
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