Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
und würde nach aller Wahrscheinlichkeit durch die Antwort, die er im Begriff [86] stand, ihr zu geben, ihren Verdacht erregt haben, als auf einmal die Thüre aufflog und Ihro Gnaden von Bellaston hereintrat.
Als sie ein paar Schritte vorwärts gethan hatte und Sophie und Jones beieinander sitzen sah, stand sie auf einmal still, und nach einer Pause von ein paar Augenblicken, in welcher sie sich mit einer bewundernswürdigen Gegenwart des Geistes faßte, sagte sie – obgleich mit genugsamen Anzeichen von Erstaunen sowohl in der Stimme als in den Mienen: »Ich meinte, Western, Sie wären in der Komödie?«
Nun hatte zwar Sophie keine Gelegenheit gehabt, vom Herrn Jones zu erfahren, auf welche Weise er ihren Aufenthalt entdeckt hätte; indessen, weil sie nicht den geringsten Argwohn von der eigentlichen Wahrheit, oder auch davon hatte, daß Jones und die Bellaston sich kennten, so war sie nur sehr wenig in Verlegenheit, und um so weniger, weil die Hofdame bei allen ihren Unterredungen über diese Sache beständig ihre Partei gegen ihren Vater genommen hatte. Mit sehr weniger Bedenklichkeit also erzählte sie ihr die ganze Geschichte von dem Vorfalle im Schauspielhause und der Ursache ihrer frühen Nachhausekunft.
Die Länge dieser Erzählung gab Ihro Gnaden von Bellaston Gelegenheit, sich völlig wieder in Fassung zu setzen und auf die Art und Weise zu sinnen, wie sie sich zu benehmen habe. Und da ihr Sophiens Betragen Hoffnung gab, daß Jones sie nicht verraten hätte, so nahm sie eine lustige Miene an und sagte: »Ich wäre nicht so ungewarnt hereingekommen, Fräulein, wenn ich gewußt, daß Sie Gesellschaft hätten.«
Indem sie diese Worte sagte, heftete die Dame ihre Augen auf Sophie, worauf das Fräulein, welches vor Verwirrung bis über die Ohren rot ward, stotternd antwortete: »Gnäd'ge Tante wissen, hoffe ich, daß mir die Ehre Ihrer Gesellschaft – –« – »Ich hoffe wenigstens,« fiel Tante Bellaston ein, »daß ich Sie nicht unterbreche!« – »Nein, gnädige Frau,« antwortete Sophie, »unser Geschäft war geendigt. Gnäd'ge Tante werden sich erinnern, daß ich oft von dem Verluste meines Taschenbuches gesprochen habe, welches dieser Herr glücklicherweise gefunden hat und so gütig gewesen ist, es mir mit der Banknote wieder zuzustellen.«
Jones war seit der Ankunft der Tante Bellaston beständig bereit, vor Furcht in die Erde zu sinken. Er saß da und stieß die Absätze aneinander, spielte mit seinen Fingern, und sah womöglich einem Dummbart ähnlicher, als ein junger ungehobelter Strohjunker, wenn er zum erstenmal bei Hofe in einer Assemblee aufduckt. Inzwischen begann er sich jetzt wieder zu besinnen, und indem er einen Wink von der edlen Bellaston auffing, welche, wie er sah, nicht gewillt war, zu thun, als ob sie ihn kennte, beschloß er, seinerseits gegen sie ebenso fremd zu thun. Er sagte: »Er habe, so lange er das Taschenbuch im Besitz gehabt, sich beständig sehr fleißig nach der Dame erkundigt, deren Name darin geschrieben stünde, wäre aber bis auf den heutigen Tag niemals so glücklich gewesen, sie aufzufinden.«
[87] Sophie hatte wirklich des Verlustes ihres Taschenbuches gegen ihre Tante Bellaston erwähnt; weil aber Jones aus einer oder der andern Ursache sich niemals gegen diese hatte merken lassen, daß es in seinem Besitz sei, so glaubte sie keine Silbe von dem, was Sophie jetzt sagte, und bewunderte nicht wenig die außerordentliche Behendigkeit, womit die junge Dame einen solchen Vorwand erfinden könnte. Die Ursache, warum Sophie das Komödienhaus verlassen hätte, fand keinen bessern Glauben, und ob sie sich's gleich nicht erklären konnte, wie diese beiden Verliebten zusammengeraten wären, so war sie doch aufs festeste überzeugt, ein ungefährer Zufall wäre es nicht.
Mit einem gezwungenen Lächeln sagte sie demnach: »In der That, Fräulein, Sie haben sehr viel Glück gehabt, Ihr Geld wieder zu erhalten. Nicht nur, daß es in die Hände eines Herrn von solcher Redlichkeit fiel, sondern daß er auch noch zufälligerweise entdeckte, wem es gehörte; denn ich glaube mich zu erinnern, daß Sie es nicht ins Intelligenzblatt setzen lassen wollten. – Es war gewiß ein besonderes Glück, mein Herr, daß Sie ausfindig machten, wem es zugehörte.«
»O, Ihro Gnaden,« sagte Herr Jones, »die Note lag in einem Taschenbuche, in welchem der Name der jungen Dame geschrieben stand.«
»Das war wirklich ein sehr glücklicher Umstand!« erwiderte die Dame. »Und ebenso ein
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