Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
Zimmer jedes Wort hören!« – »Nun was schiert mich's!« schrie die Zofe. »Ich sag' kein'n Mensch was böses nach. Aberst 's ist wahr, die Bediente haben's kein Hehl zu sagen, daß ihre hohe Herrschaft die Mannskerls nach 'n andern Hause hinkommen läßt. 'S Haus geht unterm Namen von 'er andern armen Madame, aber die gnäd'ge Schminkegott bezahlt die Miete, und sonst noch manche Siebensächelchen, die sie von 'r hat, darzu.« – Hier wollte ihr Jones, nachdem er ihr die größeste Unruh sehen lassen, das Maul zuhalten. – Aber sie schrie fort: »Heida, Herr Jones, Sie werd'n mir doch, mein'r Ehr, 's Sprechen nicht verbieten; 'ch sag' ja nichts Bös's! 'ch sag ja nur, was 'ch von andern g'hört habe. – Und da denk 'ch in mein'n stillen Sinn, wohl bekomm's der hübschen Fischbeinrock-Dame! mit ihr'n schön'n Sach'n, wenn sie so dabei kommt, Gott weiß wie? un so d'n Deckmantel macht. Mein'r Ehr'! 's ist doch besser arm sein und ehrlich.« – »Die Bedienten sind Lumpengesindel,« rief Jones, »und thun ihrer Herrschaft unrecht.« – »Ja, da hab'n wir's! Bediente sind Lumpenpack, das sagt' meine Fröl'n [97] auch, und will denn nich 'n Wort hör'n.« – »Nein ich bin überzeugt,« sagte Jones, »meine Sophie ist weit entfernt, solche Verleumdungen anzuhören.« – »Nu, Verleumdung'n sind 's auch wohl nich!« schrie die Zofe; »denn was braucht s'e die Mannskerl nach ein'n andern Haus zu bestell'n? – doch wohl nicht zu singen und beten? Denn wenn sie 's rechtfertig meinte, so zu sagen, als Braut und Bräutigam, und 's ist denn in Ehren, so kann's ja niemand wehren, so kann s'e ja mit honett'n Mannsperson'n in ihrem eign'n Haus umgehn! Was hat sie zu versteck'n, wenn's in Zücht'n un Ehr'n zugeht.« – »Ich versichre Sie,« sagte Jones, »ich kann dergleichen von einer Dame von so ehrenvollem Stande, und die noch dazu eine Verwandte von Sophie ist, nicht länger anhören; überdem wird Sie die arme kranke Frau im nächsten Zimmer zu sehr beunruhigen – sei Sie lieber so gut, und geh' Sie mit mir hinunter in ein ander Zimmer.« – »Nun gut, wenn S' mich nicht sprechen lassen woll'n, ich kann schweig'n – Da Herr, da ist ein Brief von meiner lieb'n Herrschaft. Manch' Mann würd' was rechts drum geb'n, wenn er so ein'n kriegte; aber Sie, Herr Jones, glaub' ich sind nicht allzu schönerös, ob m'rs schon andre Bediente gesagt hab'n, – aber, das is doch wahr, Herr Jones, das könn'n Sie doch nicht sagen, daß ich weiß, wie Ihr Geld aussieht.« Hier nahm Jones ihr hastig den Brief ab und drückte ihr drauf einige Goldstücke in die Hand. Alsdann raunte er ihr in's Ohr, seiner teuern Sophie tausend Dank zu sagen, und bat sie, ihn allein zu lassen, daß er den Brief lesen könnte. Sie ging alsobald fort, nicht ohne große Danksagung über seine Freigebigkeit.
Jetzt kam die ehrwürdige Dame von Bellaston wieder hinter den Gardinen hervor. Wie soll ich ihre Wut beschreiben? Anfangs war ihre Zunge unvermögend zu sprechen, aus ihren Augen aber schossen ganze Feuerströme, und natürlich war das, denn ihr Herz stand in voller Flamme. Und als sie endlich ihre Stimme wiederfand, anstatt ihren Eifer über die Honoria oder ihre eignen Bedienten auszuschütten, fiel sie über den armen Jones her. »Da sehn Sie,« sagte sie, »was ich Ihnen aufgeopfert habe! Meine Ehre, mein guter Name – alles ist hin! und was für Dank hab' ich dafür? Vernachlässigt, geringgeschätzt werd' ich, einem Landmädchen, einem Gänsekopf zu Gefallen!« – »Welche Vernachlässigung, Madame, oder welche Geringschätzung,« rief Jones, »habe ich mir zu Schulden kommen lassen?« – »Herr Jones,« sagte sie, »alle Verstellung ist vergeblich! Wenn Sie mich ruhig sehen wollen, so müssen Sie ihr ein- für allemal entsagen, und als einen Beweis Ihrer Aufrichtigkeit zeigen Sie mir den Brief.« – »Was für einen Brief, meine Gnädigste?« sagte Jones. – »Nun, fürwahr,« sagte sie, »Sie können doch keine so eiserne Stirne haben, mir zu leugnen, daß Ihnen die Treppenschleppe einen Brief gebracht hat?« – »Und kann meine teure Gebieterin etwas von mir begehren, das ich nicht geben kann, bevor ich nicht aller meiner Ehre entsagt habe? Habe ich auf solch eine Weise an Ihro Gnaden gehandelt? Wenn ich niederträchtig genug sein könnte, dieses arme unschuldige Mädchen an Sie zu verraten, [98] was für Sicherheit könnten Sie haben, daß ich nicht in Ansehung Ihrer eben die schändliche Rolle spielte? Ein Augenblick Ueberlegung,
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