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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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ich weiß gewiß, wird Sie überzeugen, daß ein Mann, bei dem das Geheimnis eines Frauenzimmers nicht völlig sicher ist, das verächtlichste Geschöpf sein muß.« – »Sehr wohl! sehr wohl!« sagte sie. »Ich brauche nicht darauf zu bestehen, daß Sie in Ihren eignen Augen ein solches verächtliches Geschöpf werden sollen, denn der Inhalt des Briefes könnte mich doch weiter nichts lehren, als was ich längst schon weiß. Ich seh' es, auf welchem Fuß Sie miteinander stehen.« Hier erfolgte eine lange Unterredung, welche ich hier der Länge nach nicht einschalte und wofür der Leser, wenn er nicht gar zu vorwitzig ist, mir danken wird. Es mag also damit genug sein, wenn ich ihn benachrichtige, daß die erzürnte Dame sich nach und nach immer mehr besänftigte und endlich seinen Beteurungen glaubte, oder sich doch zu glauben stellte, daß seine Begegnung mit Sophie den Abend bloß zufällig gewesen, nebst allen den übrigen Dingen, welche der Leser bereits weiß, und da ihr Jones solche in dem hellsten Lichte darstellte, so ist es klar, daß sie wirklich keine Ursache hatte, weiter auf ihn böse zu sein.
    In ihrem Herzen behagte es ihr gleichwohl nicht, daß er sich weigerte, ihr den Brief zu zeigen. So taub sind wir gegen die klarste Vernunft, wenn solche unsern herrschenden Leidenschaften widerspricht. Sie war in der That ganz wohl überzeugt, daß Sophie den ersten Platz in Jones' Neigung behauptete, und doch, so hochherzig und liebesüchtig diese Dame auch war, so ließ sie sich's doch endlich gefallen, mit dem zweiten Platz fürlieb zu nehmen, oder, um es im gesetzlichen Kanzleistile noch schicklicher auszudrücken, sie begnügte sich mit dem Nießbrauch eines Gutes, worauf eine andre die Mitbelehnschaft hatte.
    Zuletzt kam man dahin überein, daß Jones inskünftige in ihrem Hause Besuche abstatten möchte, weil Sophie, ihre Jungfer und alle übrigen Bedienten diese Besuche auf Sophiens Rechnung setzen würden und man sie selbst als die Person betrachten würde, die man hinterginge.
    Dieser Entwurf war eine Erfindung der Dame und fand den größten Beifall bei Herrn Jones, welcher wirklich sehr froh über die Aussicht war, seine Sophie auf irgend eine Weise zu sehen und zu sprechen, und der Dame selbst machte es keinen kleinen Spaß, daß sie Sophien etwas weißmachen könnte, welches ihr Jones, wie sie dachte, um seiner selbst willen unmöglich entdecken dürfte.
    Der nächste Tag war für den ersten Besuch festgesetzt, und hierauf kehrte die befriedigte Dame nach gewöhnlicher Höflichkeit wieder nach Hause zurück.

Drittes Kapitel.
    Enthält allerlei Materien.
     
    Jones befand sich nicht so bald allein, als er begierig den Brief erbrach und las, wie folgt: »Es ist mir unmöglich Ihnen zu beschreiben, [99] was ich seitdem gelitten habe, da Sie dies Haus verlassen, und da ich Ursache habe zu glauben, daß Sie willens sind, wieder zu kommen, so habe ich Ihnen meine Jungfer geschickt, so spät auch schon der Abend ist, weil sie mir sagt, sie wisse wo Sie wohnen, um ihnen diesen Vorsatz auszureden. Ich bitte Sie bei aller Hochachtung, die Sie für mich haben, denken Sie nicht daran hier wieder einen Besuch zu machen, denn es wird gewiß entdeckt werden; ja, aus verschiedenen Reden, welche meiner Tante entfallen sind, muß ich fast vermuten, daß sie bereits einigen Argwohn geschöpft hat. Es ergibt sich ja wohl noch eine andre günstigere Gelegenheit! Wir müssen mit Geduld warten! Aber, ich wiederhole meine Bitte noch einmal, wenn Ihnen meine Ruhe nicht ganz gleichgültig ist, so denken Sie nicht weiter drauf, wieder hier ins Haus zu kommen.«
    Dieser Brief gab dem armen Jones eben die Art von Trost, welchen ehedem Hiob von seinen Freunden bekam. Außerdem daß er ihm alle die Hoffnung vereitelte, die er sich davon versprach, wenn er Sophien sehen könnte, so war er in Rücksicht auf die Frau von Bellaston in die unglückseligste Verlegenheit versetzt; denn es gibt so gewisse Versprechungen, deren Nichterfüllung, wie er wohl wußte, sich höchst schwer entschuldigen lassen, und wieder hinzugehn, nachdem es ihm Sophie so dringend untersagt hatte, dazu hätte ihn keine menschliche Gewalt zwingen können. Endlich, nach vielen Ueberlegungen, welche diese Nacht hindurch die Stelle des Schlafes vertraten, beschloß er, sich krank zu stellen, denn dieses Mittel bot sich von selbst dar, als das einzige, um den abgeredeten Besuch zu unterlassen, ohne die Bellaston gegen sich aufzubringen, welches zu vermeiden er

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