Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
Danksagung, die er endlich mit vieler Schwierigkeit zum Schweigen brachte, und Madame Miller beredete, daß sie mit ihm wieder zur Gesellschaft kehren mußte, die [126] sie noch in eben der fröhlichen Stimmung fanden, in welcher sie solche verlassen hatten.
Diese kleine Gesellschaft brachte nun zwei oder drei sehr angenehme Stunden miteinander hin, während welcher der Onkel, der eine große Liebe zu seiner Flasche trug, seinen Neffen so wacker zugedeckt hatte, daß dieser zwar nicht betrunken war, aber sich doch ziemlich weinselig fühlte. Und jetzt nahm Herr Nachtigall den alten Herrn mit sich hinauf auf die Zimmer, die er vor kurzem bewohnt hatte, und öffnete ihm sein ganzes Herz wie folgt:
»Da Sie beständig gegen mich der beste und gütigste Onkel gewesen sind und mir diese unvergleichbare Güte noch dadurch gezeigt haben, daß Sie mir diese Verbindung verzeihen, welche man freilich für etwas unüberlegt halten kann, so könnte ich mir es niemals verzeihen, wenn ich suchen sollte Sie zu hintergehn.« Hierauf bekannte er die Wahrheit und legte ihm die ganze Sache offen vor die Augen.
»Wie, Jaköbchen?« sagte der alte Herr, »bist also wirklich mit dem Mädchen noch nicht getraut?« – »Nein, auf meine Ehre! noch nicht,« antwortete Nachtigall. »Ich habe Ihnen die reine Wahrheit gesagt.« – »Mein liebster Junge,« schrie der Onkel und umhalste und küßte ihn, »es ist mir herzlich lieb, daß ich das höre. In meinem Leben hat mich nichts so sehr gefreut. Wärst du getraut gewesen, ich hätte dir nach allem Vermögen beigestanden, um die Sache so gut ins feine zu bringen, als sich's hätte wollen thun lassen; aber 's ist ein großer Unterschied, wie man eine Sache nimmt, die schon unwiderruflich geschehen ist, und eine solche, die erst geschehen soll. Laß deine Vernunft sprechen, wie sich's gehört, so wirst du diese Heirat so dumm und thöricht finden, daß ich keine Gründe anzuführen brauche, um dir davon abzuraten.« – »Wie, lieber Onkel,« versetzte der junge Nachtigall, »bleibt auch dieser Unterschied noch, wenn man eine Handlung bereits gethan hat, oder nach der Ehre verbunden ist sie zu thun?« – »Pah!« sagte der Onkel, »die Ehre ist ein Machwerk der Welt und die Welt hat darüber die Macht eines Schöpfers, und kann sie regieren und dirgieren wie sie will. Nun weißt du wohl, wie wenig man sich draus macht, dergleichen Kontrakte zu brechen. Ein oder ein paar Tage spricht man davon, wenn's dabei recht arg gemacht ist, man wundert sich drüber, und damit ist's vorbei. Meinst du, daß sich deswegen hernach ein Mann das geringste Bedenken machen wird, dir seine Tochter oder Schwester zu geben? Oder daß es Schwestern oder Töchter gäbe, die deswegen anstehen würden, dich zu nehmen? Die Ehre hat mit solchen Zusagen nichts zu thun.« – »Verzeihen Sie mir, teuerster Onkel,« rief Nachtigall, »ich kann nun einmal so nicht denken, und nicht nur meine Ehre, sondern auch mein Gewissen und meine Menschlichkeit stehen auf dem Spiele. Ich weiß es nur zu gewiß, wenn ich das liebe Mädchen jetzt hinterginge, so würde ihr Tod davon die Folge sein und ich müßte mich als ihren Mörder betrachten, ja, als einen Mörder der sie auf die grausamste Art tötete, durch Gram und Herzeleid.« – »Gram und Herzeleid! seht doch! Nein guter Jakob,« rief [127] der Onkel, »die Weiber sterben so leicht nicht vor Gram und Herzeleid! sie haben ein zähes Leben, Junge, ein zähes Leben!« – »Aber liebster Onkel, es geht auch meine Neigung mit an, und ich kann mit einem andern Frauenzimmer niemals glücklich sein. Wie oft hab' ich's sagen hören, daß man die Kinder beständig für sich selbst wählen lassen sollte, und daß Sie meiner Kousine Henriette die freie Wahl lassen wollten.« – »Nun ja,« versetzte der alte Herr, »so wollt' ich auch, aber dann müssen auch die Kinder mit Klugheit und Verstand wählen. Fürwahr, Jakob, du sollst und mußt mir von diesem Mädchen ablassen.« – »Fürwahr,« lieber Onkel, schrie der andre, »ich muß und will sie heiraten!« – »Du willst? junges Herrchen,« sagte der Onkel. »Solche Worte hätt' ich von dir nicht erwartet. Es hätte mich nicht Wunder nehmen sollen, wenn du solch eine Sprache gegen deinen Vater geführt hättest, der dir immer begegnet ist wie einem Hunde und dich immer so weit vom Leibe gehalten hat, wie die Tyrannen ihre sklavischen Untertanen; aber ich? ich, der ich dich immer behandelt habe, wie meinesgleichen, ich hätte doch
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